Gelsenkirchen. Energiekosten treiben viele Mieter in die Armut. Ein runder Tisch im Rahmen einer Kampagne soll Betroffenen zur Seite stehen.
Energie kostet Geld. Geld, das viele Familien, Alleinerziehende, Rentner oder allein lebende Menschen in Gelsenkirchen nicht haben. Im schlimmsten Fall droht eine Sperre des Energieversorgers – sprich: es gibt keinen Strom und kein warmes Wasser mehr.
Um diesen Problemen präventiv zu begegnen, hat sich in Gelsenkirchen ein runder Tisch gebildet. „In der Beratung haben wir immer öfter mit solchen Fällen zu tun“, sagt Claudia Schöllgen von der Verbraucherzentrale in Gelsenkirchen, die jetzt das Projekt „NRW bekämpft Energiearmut“ auf lokaler Ebene leitet. „Niemand, auch nicht die Versorger, haben etwas davon, wenn einem Menschen die Energie zum alltäglichen Leben gekappt wird.“
Das Projekt „NRW bekämpft Energiearmut“ ist im Herbst 2012 gestartet. Mehr als 2400 Betroffene haben die Beratung mittlerweile in Anspruch genommen, in über 80 Prozent der Fälle, konnte eine Lösung erzielt werden.
Grundlegende Sachen
Dieter Heisig, Industrie- und Sozialpfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Gelsenkirchen ist auch Mitglied des runden Tisches. „Ich betreue eine Selbsthilfe-Gruppe von Menschen, die von Hartz IV leben müssen“, sagt Heisig. „Gerade die grundlegenden Sachen, wie Miete und Strom, sind immer wieder Thema gewesen – also, wie soll ich das aus dem wenigen Grundeinkommen noch zahlen können?“ Da sich das Projekt in vielen Städten NRWs als erfolgreich zeigte, freut sich Pfarrer Heisig, dass nun auch Gelsenkirchen mit von der Partie ist. „Die zunehmenden Zahlungsprobleme von Verbrauchern bei der Energieversorgung erfordern nachhaltige Ansätze“, so der Pfarrer. „Und wichtig ist auch, dass wir anerkennen, dass die Betroffenen die Experten sind, und nicht wir.“ Denn: Viele Menschen, auch zum Teil die Mitglieder des runden Tisches, könnten sich nicht vorstellen, was es heiße, auf einem Level des Existenzminiums zu leben.
Und genau da möchte man in Gelsenkirchen im Rahmen des Projektes ansetzen. Ein Netzwerk von verschiedenen Personen, aus ganz unterschiedlichen Bereichen hat sich gebildet, um Hilfesuchenden ein optimales Beratungsangebot zur Verfügung zu stellen.
Mit im Boot ist in erster Linie die Gelsenkirchener Verbraucherzentrale, aber auch Pfarrer Dieter Heisig, Heinz Huyeng von Emscher Lippe Energie, und viele Akteure der Stadt – sei es aus dem sozialen Bereich oder Jobcenter – möchten Menschen, die aus ganz individuellen Gründen nicht in der Lage sind, bestimmte, wichtige Rechnungen zu bezahlen, unterstützen. Nur: Hilfe muss angenommen werden.
Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist
Das Thema Energie und Zahlungsversäumnisse ist sogar so relevant, dass die Gelsenkirchener Verbraucherzentrale eine zusätzliche Kraft eingestellt hat. Sebastian Dröge unterstützt das Team seit März, hat sich schon gut eingelebt und viel über seine Klienten erfahren. „Es gibt schon viele Kunden, die erst kommen, wenn das Kind schon fast oder ganz in den Brunnen gefallen ist“, so der engagierte Mitarbeiter. „Es ist eine sehr vielschichtige Beratung und das Netzwerk mit anderen Menschen vom Fach, macht die Arbeit auch einfacher.“
Es ist das Netzwerk, das Mitarbeiter der unterschiedlichen Art an einen Tisch bringt, bzw. alle Beteiligten wissen, an wen sie sich in ganz speziellen Fragen wenden können. Mieterschutzbund, Sozialagentur, Energieversorger – alle ziehen an einem Strang und möchten für den oder die Hilfesuchende eine optimale Lösung finden. Ein großes Problem, sei generell die Kontaktaufnahme, denn bei den meisten Betroffenen sei die Hemmschwelle, Hilfe anzunehmen. doch recht hoch. Das Projekt soll vor allem in Sachen Finanzen dazu beitragen, dass keine Energie-Sperre oder andere existenzielle Lebensbereiche betroffen sind.