Gelsenkirchen. Abteilungsleiterin Stephanie Jordan beschrieb die Unterbringung eines Jugendlichen Jungen im ungarischen Pecs als erfolgreiche Maßnahme.

Was die Mitglieder des Ausschusses von Fehlverhalten im Kontext der Jugendhilfe am meisten interessierte, konnte auch Stephanie Jordan vom Herner Jugendamt nicht aufklären. Die Leiterin der Abteilung Erziehungshilfen, die im Zusammenhang mit der Neustart Kft von Alfons Wissmann und Thomas Frings Gast im Ausschuss war, hatte die Vergangenheit nach Aktenlage rekonstruiert.

Immerhin erfuhren die „Aufklärer“ einiges über intensive Jugendhilfe. Und dass ein damals 15-jährige Herner, der Anfang Januar 2005 nach Pecs kam, weil keine pädagogischen Angebote bei dem völlig aus der Spur Geratenen Früchte trugen, die intensivpädagogische Maßnahme erfolgreich beendet hat. Sie könne nicht bestätigen, so Jordan, dass es im ungarischen Heim in dieser Zeit eine Kindeswohlgefährdung gab.

Drei Anbieter von Auslandsmaßnahmen hatte man im Herner Jugendamt im November 2004 zur Auswahl. Darunter Neustart. „Die Namen Wissmann und Frings sind in der Akte nicht zu sehen.“ Der 15-Jährige wurde Stephanie Jordans Worten zufolge vor der Fahrt nach Pecs im Kinder- und Jugendheim St. Josef auf die Maßnahme vorbereitet, kehrte nach einem Jahr auch dorthin zurück, bekam Hilfe zur Verselbstständigung. Wer seinerzeit bei St. Josef auf Neustart hingewiesen hat, war Jordan nicht bekannt.

In die eigene Tasche gewirtschaftet

Dass unabhängig vom Heim in Pecs Jugendliche immer wieder nach Gelsenkirchen in die Einrichtung St. Josef kamen, schrieb Jordan der guten Vernetzung von Jugendämtern zu, die sich in jedem Einzelfall immer wieder auch in umliegenden Kommunen nach geeigneten Heimunterbringungen umschauen würden. Nicht bestätigen konnte sie eine auffällige Veränderung bei der Unterbringung von Herner Kindern im Heim St. Josef vor und 2013. Hintergrund der Frage von Burkhard Wüllscheidt (Grüne): Die Ehefrau von Thomas Frings war 2013 vom Gelsenkirchener Jugendamt nach Herne gewechselt. Was Stephanie Jordan allerdings betonte: „Bis zur Aufklärung der Vorkommnisse wird es von unserer Seite keine Belegung des Heims St. Josef geben.“

Wolfgang Meyer (Linke) stellte am Ende fest: „Hier geht es nicht um die Qualität der Maßnahme, sondern darum, dass sich Wissmann und Frings in die eigene Tasche gewirtschaftet haben!“ Und Burkhard Wüllscheidt konstatierte an anderer Stelle: „Die Kernfrage bleibt weiter: Einzeltäter oder Vernetzung?“

Fragen rund um das Arbeitsgerichtsverfahren Thomas Frings – der in erster Instanz Recht bekam – wurden am Mittwoch konsequent nicht öffentlich behandelt. Aktuell arbeiten Juristen an der Berufungsbegründung.

Die CDU hatte zur Sitzung des Untersuchungsausschusses ihre Wünsche für die „Gästeliste“ zu den nächsten Themenkomplexen eingebracht. Am 14. April geht um intensivpädagogische Maßnahmen und Verflechtungen, Nebentätigkeiten, Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Alfons Wissmann. Eingeladen werden (bzw. wurden zum Teil bereits): OB Frank Baranowski, Ex-Stadtrat Joachim Hampe, Dr. Manfred Beck, Vertreter von Deloitte und „Herr K.“ (Personalreferat). Für ihn wird voraussichtlich Stadträtin Karin Welge sprechen.

Empörung über die Eingabe der St. Augustinus Heime GmbH 

Mit ihrer Eingabe bei der Bezirksregierung hat die St. Augustinus Heime GmbH zumindest in punkto Überraschung einen Volltreffer gelandet. Wie berichtet, hat sich der Träger der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Josef an die Aufsichtsbehörde in Münster gewandt. Die solle die Zulässigkeit des Ausschusses zur Untersuchung von Fehlverhalten im Kontext der Gelsenkirchener Jugendhilfe prüfen. Ferner kritisiert der katholische Arbeitgeber den Umgang des Ausschusses mit nicht städtischen Einrichtungen. Weitere Beanstandungen nannte Rechtsdezernent Dr. Christopher Schmitt am Mittwoch im Ausschuss nicht. Nur soviel, dass die Bezirksregierung der St. Augustinus Heime GmbH bereits signalisiert habe, dass sie im Zusammenhang mit der Zuständigkeit des Ausschusses der Rechtsauffassung der Gelsenkirchener Verwaltung folge.

SPD-Fraktionsvorsitzender Klaus Haertel schimpfte: „Ich bin empört. Aber ich halte das für bezeichnend.“ Dass nämlich St. Augustinus Heime nicht einmal davor zurück schreckt, „bei der Bezirksregierung die juristische Notbremse zu ziehen“. Und für die Grünen setzte Burkhard Wüllscheidt nach: „Wir lassen uns den Mund nicht verbieten.“

Am 14. Dezember erfuhr die Verwaltung von der Augustinus-Eingabe und wurde von der Bezirksregierung um Stellungnahme gebeten. Die Eingabe selbst ist vom 2. November 2015. Zur Erinnerung: Knapp zwei Wochen zuvor hatte die SPD außerhalb des Ausschusses öffentlich den Rücktritt von St. Augustinus-Geschäftsführer Peter Weingarten gefordert.

Was die St. Augustinus Heime GmbH zu diesem Schritt bewogen hat, das fragte die WAZ gestern den Verwaltungsdirektor und Unternehmenssprecher Hans Christian Atzpodien. Der gab sich allerdings zugeknöpft. Er wolle dazu zum jetzigen Zeitpunkt keine Stellung nehmen.

Sachkundiger Bürger der Linken bekommt keine Akteneinsicht

Keine Akteneinsicht für die Linke:

Wolfgang Meyer, Die Linke
Wolfgang Meyer, Die Linke © WAZ

Ein entsprechender Antrag von Wolfgang Meyer war von der Verwaltung abgelehnt worden, wie Meyer am Mittwoch berichtete. Er sitzt als sachkundiger Bürger für die Fraktion Die Linke im Untersuchungsausschuss. Und sein Status ist der Haken an der Sache. Weil ein „Sachkundiger“, der aber – wie Meyer – nicht Mitglied des Rates ist, nach Paragraph 55 der Gemeindeordnung keine Akteneinsicht nehmen darf. Was Dr. Klaus Haertel (SPD) nach praktischer Selbsterfahrung bestätigte. Er wollte nämlich den sachkundigen Bürger Jürgen Micheel zum Aktenstudium mitnehmen, aber: Auch Micheel wurde die Einsicht verwehrt. Fast fürsorglich kam dann der Rat vom SPD-Fraktionschef an den Linken: Er solle doch vielleicht seinen Stadtverordneten Martin Gatzemeier die Akten einsehen lassen.