Gelsenkirchen. Das Kunstmuseum Gelsenkirchen zeigt Selbstporträts, die auf Papier und mit dem Bleistift entstanden sind.

Selbstporträts werden heute vor allem mit der Handy-Kamera geschossen: schnell und spontan, manchmal inszeniert und arrangiert. Selfies mit dem Handy sind ein weltweites Massenphänomen. Sie entstehen meistens so flott wie sie auch wieder gelöscht werden. Dabei gab es Selfies auch schon viel früher. Da allerdings entstanden sie für die Ewigkeit, wurden festgehalten auf Papier oder Leinwand, mit Bleistift, Tusche oder Pinsel und hießen noch „Selbstporträt“. Frühe Selfies zeigt zurzeit das Kunstmuseum Gelsenkirchen in seinem neuen Grafikkabinett.

Mehr als nur Äußerlichkeiten

Wie sich große Künstlerfiguren wie Max Beckmann, Käthe Kollwitz oder Oskar Kokoschka selbst sahen, davon zeugt diese Schau beredt. Diese Maler halten mit ihren Mitteln zumeist nicht nur einfach ihr Aussehen fest, sondern erzählen Geschichten über sich und ihr Leben. „Das Selbstbildnis ist eines der zentralen Themen der Kunst mit einer Tradition, die bis in die Renaissance reicht“, weiß Museumschefin Leane Schäfer. „Diese Selbstporträts bieten die Möglichkeit einer Persönlichkeitsstudie oder einer gezielten Selbstinszenierung.“

Aus über 2300 grafischen Objekten der Sammlung des Kunstmuseums wählten Leane Schäfer und ihre Stellvertreterin Christiane Wanken beredte Bilderbeispiele für Selbstporträts aus.

Da ist zum Beispiel das Aquarell von Dora Brandenburg-Polster (1884- 1958), das die Künstlerin in einem Liegestuhl in exotischem Ambiente in nahezu närrischer Pose zeigt. Sie scheint den Betrachter direkt anzuschauen, blickt wie in eine Kameralinse.

Selbstporträt als Zeugnis einer drohenden Katastrophe

Der Blick von Heinrich Nauens Selbstporträt geht dagegen grübelnd in die Ferne. Die Lithographie aus dem Jahre 1919 zeigt am Rande eine Christusfigur und verrät etwas über die Religiosität des Malers.

Das Selbstbildnis von Käthe Kollwitz, eine Kreidelithographie aus dem Jahr 1938, taucht wie aus dem Nichts auf dem Papier auf. Die Frau blickt den Betrachter ernst und mahnend an, die Stirn in Falten gelegt, ein Selbstporträt als Zeugnis einer drohenden Katastrophe. Eine zweite Arbeit von Käthe Kollwitz zeigt sie kurz vor ihrem Tod. Die Lithographie mit dem Titel „Ruf des Todes“ aus dem Jahre 1934 zeigt die Künstlerin mit einer mageren Hand, die nach ihrer Schulter greift. Nicht nur ein Selbstbildnis, sondern gleich eine ganze Erzählung.

Das Selbstporträt von Oskar Kokoschka kommt ebenfalls narrativ daher. Er inszeniert sich imposant als Künstler in seinem Atelier. Witziges Detail: Mit seinen Händen wirft er als Schattenspiel einen Hasen an die Wand. Hermann Peters (1886-1970) stellt sich auf seiner Zeichnung locker mit der Zigarre im Mund da. Das Selbstbildnis von Max Beckmann von 1950 zeigt den Künstler wenige Wochen vor seinem Tod (1884-1950). Lovis Corinth hält sich wie auf einem Schnappschuss mit Zeichenblock fest. „Grundsätzlich“, sagt Schäfer, „zeigen alle Grafiken aber mehr als nur einen Augenblick, sondern auch eine Suche nach sich selbst.“

Das Kunstmuseum an der Horster Straße 5-7 in Buer richtete mitten in der Gemäldesammlung einen kleinen Raum eigens für die grafische Sammlung her.

Hier sollen in regelmäßigen Abständen von einigen Wochen Werke aus dem umfassenden grafischen Depot präsentiert werden.

Die aktuelle Schau widmet sich dem Selbstbildnis. Das Museum ist geöffnet dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.