Gelsenkirchen. Ein Banner an der Theaterfassade ist auch Teil der vom Haus eröffneten Wertediskussion. Die Rotunde füllt sich derweil mit Besucherbotschaften.
„Freiheit leben. Furcht besiegen. Frieden wahren.“ Das Musiktheater im Revier setzt ein deutliches, weithin sichtbares Zeichen. Hoch oben am MiR hängt ein 16 mal 5,50 Meter großes Banner, mit der das Haus Position bezieht und eine Botschaft in die Stadt trägt: „Wir wollten auf die Flüchtlingsdebatte reagieren. Dabei entstand die Idee, das Dachbanner dafür zu nutzen“, sagt Hausdramaturgin Juliane Schunke.
Normalerweise weist das MiR an dieser Stelle auf langfristige Projekte hin und wirbt beispielsweise für seine Musicals, auch weil „wir wissen, dass es noch sehr viele Menschen gibt, die dieses Theater nicht als Theater erleben“, so Schunke. Nun ist der Werbe-Platz ein Teil der Wertediskussion, die – nach den Terroranschlägen von Paris, der Kölner Silvesternacht und der anhaltenden Flüchtlingsdiskussion – „aus dem Haus heraus gemeinsam von Intendanz, Dramaturgie und Marketing angeschoben wurde“, so Schunke. Die Aktion „100 Tage, 1000 Meinungen“ läuft seit Mitte Januar . „Da das Musiktheater ein Ort ist, an dem öffentliche Diskussionen stattfinden und viele Meinungen auffeinander treffen, wollen wir mit unserer Aktion einen gesellschaftlichen Exkurs anstoßen“, begründete Generalintendant Michael Schulz damals im WAZ-Gespräch. Ergebnisse dieses Prozesses sind nicht nur in Großbuchstaben an der MiR-Fassade, sondern auch an der Glasrotunde im Foyer des Musiktheaters bereits sichtbar.
Fragen, die die Gesellschaft beschäftigen
In zehn Fragerunden fordert das Musiktheater Besucher auf, ihre Meinung zu bestimmten Themen kund zu tun. Anonym, persönlich. „Wofür würden Sie demonstrieren gehen?“ laute die erste Frage, „Welchen Stellenwert hat der Europäische Gedanke für sie?“ liefert aktuell den Gedankenanstoß.
„Es sind Fragen, die die Gesellschaft aktuell beschäftigen“, glaubt Schunke. Und Antworten, die eben nicht in einem Briefkastenschlitz verschwinden, sondern öffentlich sichtbar gemacht werden sollten. Die Zettel-Zahl an der Rotunde zeugt bereits von beträchtlichen Reaktionen und zumindest für die Dramaturgin von einer gewissen „Einigkeit unseres Publikums“ bei Grundsätzen. Für „Einheit, Freiheit und Brüderlichkeit“, für die „Würde des Menschen“, aber auch für „Tierrechte“, „Freies Gedankengut“ oder auch „Schwul-lesbische Beziehungen“ würden die Schreiber beispielsweise auf die Straße gehen. „Und zweimal hatten wir schon große, bunt bemalte Zettel, auf denen groß Liebe steht“, sagt die Dramaturgin.
Das Banner an der Front des Hauses positioniert auch Grundsätze. Zum ersten Mal, heißt es, beziehe das Musiktheater in dieser konkreten Form Stellung. „Wir wollen die Diskussion aufnehmen und Gespräche forcieren“, sagt Schunke. Ein Ende ist dabei nicht abzusehen.