Gelsenkirchen. Rund 400 Leute, Mitarbeiter und Vertreter der gesamten Stadtgesellschaft, protestierten Samstag in der Innenstadt.

Jovan Poljak ist seit 25 Jahren bei Vaillant beschäftigt. Als Löter und Prüfer. Samstagvormittag steht der 59-Jährige schon zum zweiten Mal seit 2003 mit vielen Kollegen auf der Straße, um gegen die drohende Vernichtung von 200 Vaillant-Arbeitsplätzen zu protestieren.

Um ihn herum hat sich ein äußerst respektabler Querschnitt der Gelsenkirchener Stadtgesellschaft versammelt: Oberbürgermeister, Stadtdirektor, Vertreter fast aller Parteien des Rates, Gewerkschafter, Kirchen und kirchlicher Arbeitsgemeinschaften. Rund 400 Menschen stehen am Musiktheater. Allesamt bereit, der Geschäftsführung der Vaillant-Group für die angekündigten Schließungspläne lautstark und deutlich die rote Karte zu zeigen.

Die erste Karte zückt Sozialpfarrer Dieter Heisig, der mit seinem katholischen Amtskollegen Stadtdechant Thomas Pottbäcker die Protestkundgebung mit einem kurzen, kämpferischen Arbeitergottesdienst eröffnet, das Kreuz der Arbeitslosigkeit zu beider Füßen, die Fahnen der kirchlichen Sozialverbände über den Köpfen wehend. Weihnachten sei eben doch etwas Anderes als die Jahresendrallye der Börsen, als Zufriedenheit im Handel oder die „gute Gelegenheit, eine Firma zu schließen“. Von wegen süßliche Botschaft. „Ihr seid hier nicht im falschen Film. Gegenwehr ist die eigentliche Botschaft von Weihnachten!“ sagt Heisig.

Vaillant steht nun zum zweiten Mal auf dem Kreuz der Arbeitslosigkeit

Betriebsratsvorsitzende Jasmin Rosenau hat vor dem Protestmarsch zum Bahnhofsvorplatz noch die traurige Pflicht, den Namen Vaillant auf das Kreuz der Arbeitslosigkeit zu schreiben. Neben Opel Bochum, Nokia ... und auch Vaillant anno 2003. Alle, Mitarbeiter und solidarische Mitstreiter, haben Samstag die Hoffnung, den Standort ein weiteres Mal zu retten. „Wir fragen uns, was muss ein Arbeiter noch tun, um Perspektiven zu haben? Wir haben alles für das Unternehmen gegeben und jetzt werden unsere Rechte mit Füßen getreten“, sagt sie später, bei der Abschlusskundgebung vor der alten Post am Bahnhofsvorplatz unter lautem Beifall.

Betriebsratsvorsitzende Jasmin Rosenau trägt die Firma Vaillant auf dem Kreuz der Arbeitslosigkeit ein.
Betriebsratsvorsitzende Jasmin Rosenau trägt die Firma Vaillant auf dem Kreuz der Arbeitslosigkeit ein. © M. Korte

Auch Knut Giesler, IG Metall-Bezirksleiter NRW, fasst den Zorn über die Vaillant-Pläne in wütenden Worten zusammen. Sarkastisch meint er etwa: „Ich erinnere mich noch gut an den 6. Mai 2015. Da haben die Vaillant-Manager mir gewaltig vorgeschwärmt, dass Gelsenkirchen der ideale Standort für erneuerbare Energietechnologie sei.“ Und dann auch noch den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2015 kassieren – das ist zuviel für Giesler: „Den sollen die zurückgeben, den haben die nicht verdient. Die sollen sich was schämen!“ Da brandet Riesenbeifall auf.

OB Baranowski: „Das ist auch unanständig“

Eine Kampfansage hat auch OB Frank Baranowski für die Vaillant-Bosse: „Einen Standort zu opfern, der voll im Saft steht, einen Standort zu opfern, der profitabel ist, einen Standort zu opfern, der seine Leistungsfähigkeit so oft unter Beweis gestellt hat, das ist nicht nur grob fahrlässig. Das ist auch unanständig!“ Und er spricht an, was Mitarbeitern, Gewerkschaftsvertretern und Politik auf den Nägeln brennt: „Mag ja sein, dass Vaillant in Osteuropa ein paar Euro an den Lohnkosten spart. Aber der Imageschaden, den das Unternehmen riskiert – der wird gewaltig sein.“

DGB-Chef Dr. Josef Hülsdünker setzt noch eins drauf. Warum Vaillant den Standort Slowakei anpeilt? „Das ist ein EU-Mitgliedsland. Wer sich dort ansiedelt, bekommt EU-Fördermittel.“ Buh-Rufe ertönen. Zwei Stunden dauert der Protest schon, da singen alle das Lied der italienischen Partisanen, „Bella Ciao“. Auch Jovan Poljak. Er denkt an die vielen jungen Leute in der Firma, die um die 40, 44 sind. An die Familien, an die Zulieferfirmen und deren Beschäftigte. „Das sind nicht allein wir 200 Vaillant-Leute, das sind eher tausend Betroffene“, rechnet er vor. Die Situation im Betrieb? „Es herrscht miese Stimmung.“