Gelsenkirchen. . Kritik an den ruinösen Baukosten, an der Nutzung, an den Umbauten oder fehlenden Finanzen begleitet das Volkshaus Rotthausen durch die Jahrzehnte.
Zum Start durfte es eher schwere Kost sein, getragen und dem Anlass offenbar angemessen: Am Freitag, 10. Dezember 1920, „abends 6 Uhr“, wurde zur Einweihung des Volkshauses Rotthausen geladen – mit der „Jubel-Ouvertüre“ von Johann-Christian Bach, mit einem Theater-Prolog, schließlich mit der „Großen Fantasie“ aus Wagners Tannhäuser. Und das war nur der erste Teil des Festakts. Weiter ging’s mit Lessings Emilia Galotti.
Der kleine Hinweis auf der Einladung, bitte das Rauchen „im Festsaale zu unterlassen“ zeigt: es waren andere Zeiten, als man sich in Rotthausen aufschwang, dem Volk Kultur nahezubringen.
Aufgedröselt und aufbereitet hat der Gelsenkirchener Heimatbund die lange Geschichte mit Dokumenten, Bildern und Detailwissen. Karlheinz Rabas hat dabei auch auf eigene Vorarbeit zurückgreifen können. Bereits 1984 hat Rabas umfangreich über das Volkshaus in Rotthausen geschrieben. Damals ging es um die Denkmalwürdigkeit des Gebäudes, vor allem aber auch um die Frage der Sanierung. 1986 wurde die Denkmalplakette enthüllt, zwei Jahre länger dauerte es, bis endlich auch Fördermittel für den dringend erforderlichen Umbau flossen. Im September 1988 gab der Regierungspräsident 2,26 Millionen DM für den Umbau des Volkshauses zu einer öffentlichen Begegnungsstätte. 1989 wurde das Haus der Öffentlichkeit übergeben. Auch damals schon waren längst nicht alle mit dem Ergebnis zufrieden. Vor allem die fehlende Komplettsanierung der Sanitäranlagen wurde kritisiert. Gut ein Vierteljahrhundert später übrigens immer noch ein Knackpunkt.
Jugendherberge und SS-Kaserne
Im aufstrebenden Rotthausen war es aus Sicht des Gemeinderats mit Bürgermeister Heinrich Hohoff an der Spitze Anfang des 20. Jahrhunderts an der Zeit, für die wachsende Zahl der Bürger Schulbauten und Infrastruktur zu verbessern. Eine Jugendhalle und ein Feuerwehrdepot waren der ursprüngliche Plan. Der Erste Weltkrieg kam dazwischen, das Projekt war nicht mehr zu finanzieren.
1919 dann der nächste Angang in wirtschaftlich äußerst angespannten Zeiten, diesmal am Grüner Weg. Repräsentativer sollte nun das neue Haus werden, und breiter im Angebot: mit Räumen für Turnvereine, für Bildung und Kultur, Filme und Feste. Der Essener Architekt Alfred Fischer zeichnete für den Entwurf verantwortlich, schuf ein Gebäue im Stil des Backstein-Expressionismus. Kritiker fürchteten damals den Ruin der Gemeinde durch das Projekt, bemängelten die Raumaufteilung und innen den „losgelassenen Futurismus“. Sie hätten das Haus lieber als Rathaus denn als Volkshaus gesehen. Und so wurde es eine Mischung aus Gemeindeverwaltung und Veranstaltungsort, ab 1924 gar auch Jugendherberge mit 30 Betten in zwei Schlafräumen, später in der NS-Zeit gar SS-Kaserne und Möbellager. Nach 1945 wurde das Volkshaus zum Lehrlingsheim, 1970 drohte sogar der Abriss. Bürgerverein und Politik machten sich für den Erhalt stark. Daran hat sich nicht viel geändert.
Erst ein Konzept, dann die Nutzung
2012 war die WAZ mit dem damaligen Bezirksbürgermeister Bernd Lemanski und dem SPD-Stadtverordneten Ernst Majewski zur Bestandsaufnahme im Volkshaus. Klar war damals schon: der Verfall in Teilen ist drastisch, der Sanierungsbedarf hoch, größere Saalveranstaltungen waren zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr möglich. Rund zehn Jahre, monierte auch die CDU damals, ginge es nun schon „hin und her“, so könne es nicht weitergehen.
Viele Gesprächsrunden und Runde Tische später ist der entscheidende Durchbruch zwar immer noch nicht erzielt worden, ist die Zukunft der Begegnungsstätte immer noch offen. Aber immerhin wurde Mitte 2015 beschlossen, ein praxisnahes, „breit getragenes Nutzungskonzept“ für das Volkshaus und insbesondere für den brachliegenden Saal zu erarbeiten. Im September 2015 hat die Verwaltung schließlich damit auch die Alanus Hochschule für Kunst & Gesellschaft beauftragt. Die Denk-Arbeit läuft, die Geschichte geht weiter...
Heft 6 des Gelsenkirchener Heimatbunds
„Gelsenkirchen in alter und neuer Zeit“ ist der Titel der Heften-Reihe, die der Heimatbund Gelsebnkirchen in Zusammenarbeit mit dem Stadtteilarchiv Rotthausen aufgelegt hat. Heft 6 ist jetzt erschienen und wird vom Verein und im lokalen Buchhandelm zum Beispiel bei Lotha Junius an der Sparkassenstraße 4,verkauft. Preis: 5 Euro. Informationen auf www.heimatbund-gelsenkirchen.de