Gelsenkirchen. In der vierten Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Fehlverhalten im Kontext der Jugendhilfe kam ein früherer Kinderheimmitarbeiter zu Wort .

In der vierten Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Fehlverhalten im Kontext der Jugendhilfe brauchte Pirat Jürgen Hansen am Mittwoch nicht selbst eine Zigarettenpause anmahnen.

Der Sitzungsverlauf

Der Antrag eines Stammgastes auf der Besucherempore, Joachim Sombetzki, hatte das Thema Sitzungsablauf auf die Tagesordnung gebracht. Peter Tertocha (Grüne) schlug vor, einem Themenblock zwei Stunden einzuräumen, eine Pause einzulegen und weiter zu machen. Wofür sich auch Wolfgang Meyer aussprach, „sonst gibt es hier irgendwann Schlafgeräusche“. Allerdings, so betonte Sascha Kurth (CDU), „sollten dennoch alle die Möglichkeit haben, hier mitzureden“.

Strafrechtliche Maßnahmen

Die hat ein Mitarbeiter des Jugendamtes über einen Rechtsanwalt angedroht, weil im Blog des bereits erwähnten Joachim Sombetzki offensichtlich Passagen mit mindestens übler Nachrede stehen beziehungsweise standen. Die Grünen hatten eine Stellungnahme zu diesem Vorgang beantragt. Rechtsrätin Marieke Miekeley erklärte, die Aktion sei rein zivilrechtlicher Natur, gleichwohl übernehme die Stadt als Dienstherr aus Fürsorgepflicht gegenüber dem Mitarbeiter die anfallenden Rechtskosten. In dem Schreiben an seinen Mandanten habe der Rechtsanwalt irrtümlich die Dienstanschrift des Mitarbeiters benutzt. Mit Ausnahme der finanziellen Unterstützung habe die Stadt „mit dieser Rechtsstreitigkeit nichts zu tun“. Auf Nachfrage von Ali-Riza Akyol (WIN) sagte die Juristin, man werde nicht tätig, um den Fehler in der Anschrift zu korrigieren.

Geladene Gäste

CDU-MdB Oliver Wittke, von 1999 bis 2004 Oberbürgermeister, steht zu seiner Zusage, vor dem Ausschuss auszusagen und will zur Sitzung am 10. Februar kommen. Durch Abwesenheit glänzte die St. Augustinus Heime GmbH ebenso wie Vertreter der BDO-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Und noch nicht bekannt ist, ob OB Frank Baranowski, Stadtdirektor Dr. Manfred Beck und der ehemalige Stadtrat Joachim Hampe aussagen werden. Die Drei sollen auf Antrag der CDU eingeladen werden, was einstimmig unterstrichen wurde. Ebenso einmütig folgte das Gremium dem SPD-Antrag, Vertreter der Jugendämter Herne und Gladbeck einzuladen. Aus beiden Städten stammten die Jugendlichen, die im ungarischen Pecs im Haus der von Alfons Wissmann und Thomas Frings betriebenen Neustart Kft untergebracht waren.

Aussage des Ex-Mitarbeiters

Von 2001 bis 2008 hat Martin von Loe in der Aufnahmegruppe des Kinderheims St. Josef an der Bismarckstraße gearbeitet – und dann gekündigt. „Ich konnte und wollte nicht mehr Teil dieses Systems sein“, berichtete er. Die Überbelegung sei gang und gäbe gewesen, die damalige Heimleitung hätte ein System von Angst und Schrecken aufgebaut, „Mitarbeiter wurden unter Druck gesetzt und angeschrien.“ Er habe keine Chance gesehen, sei gegangen und habe das Gespräch mit Propst Paas gesucht. Passiert sei anschließend allerdings nichts. Von Loe bestätigte, was bereits Dirk Hausberg berichtet hatte. Wenn Gruppen belegt waren, hätte ein Anruf des Jugendamtes bei Anja Gresch genügt, „dann war Platz“. Hinweise auf die Neustart Kft habe er persönlich nicht bemerkt.

Deutscher Kinderschutzbund

„Wir konnten keinerlei Bereicherung feststellen, wohl aber, dass es eine Gemengelage zwischen dem Jugendamt und dem Kinderschutz-bund gab“, fasste Wirtschaftsprüfer Peter Temmert von der Rinke Treuhand GmbH das Ergebnis des vom DKSB in Auftrag gegebenen Gutachtens zusammen. Fragen gab es dann viele. Ob niemand auf die Idee gekommen sei, „dass da ‘ne krumme Sache läuft“, welche Strukturen geherrscht haben, die offensichtlich niemand erkennen konnte, ob es Gespräche mit dem ehemaligen Vize-Vorsitzenden Thomas Frings oder der damaligen Vorsitzenden Veronika Liebenow gegeben habe oder wie damals eigentlich die Mitglieder über Aktivitäten und Geldflüsse zwischen Kinderschutzbund und Neustart Kft informiert worden seien – gar nicht oder falsch? Geschäftsführerin Silke Kozicki hatte insofern einen schweren Stand, als sie im fraglichen Zeitraum (2004 bis Ende 2009) noch gar nicht beim Kinderschutzbund aktiv war. „Jetzt zu spekulieren, wie das damals gelaufen ist, kann ich nicht“, sagte sie. Auch Vorsitzender Claudius Hasenau verwies auf den jetzt gemachten Neuanfang – mit der Folge, dass man zur Vergangenheit nichts sagen könne. „Auch bei uns sind noch viele Fragen offen.“

SPD Fragenkatalog

Da die St. Augustinus Heime GmbH dem Ausschuss sämtliche Anlagen des BDO-Gutachtens verweigert habe, bat Dr. Klaus Haertel die Verwaltung, zehn Fragen der SPD zur schriftlichen Beantwortung weiterzuleiten. Dabei geht es auch um die Rolle des Caritasverbandes bei den Entgeltverhandlungen. Weiter fragt die SPD etwa nach den Kriterien, nach denen die Gesprächsteilnehmer während der Recherche für das BDO-Gutachten ausgewählt wurden.

Fazit: Es bleiben noch viele Vorgänge im Detail zu klären.