Gelsenkirchen. Die Kosten für Bestattungen werden steigen. Zwischen 5,81 und 6,78 Prozent, je nach Beerdigungsform.

Die Kosten für Bestattungen werden steigen. Zwischen 5,81 und 6,78 Prozent, je nach Beerdigungsform. Für Dirk Blum und Andreas Mäsing sind das trübe Aussichten im Trauermonat November – und die falsche Entscheidung. Für ihren Geschmack wird das Beerdigen in Gelsenkirchen zu kostspielig für die Menschen und beide halten es für den falschen Weg, um eine Trendwende herbeizuführen.

Die Richtung stimmt nicht

„Aus unserer Sicht müssten die Preise sinken“, fordern Blum, Geschäftsführender Gesellschafter der Bestattungen Erwin Pfeil GmbH, und Mäsing, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Friedhofsgärtner Gelsenkirchen eG (FGG). Die ständigen Erhöhungen würden den Gebührenhaushalt ausgleichen, aber sie würden nie und nimmer die Gelsenkirchener dazu verleiten, ihre Angehörigen auf einem städtischen Friedhof beerdigen zu lassen. Blum nennt ein Beispiel: „Wenn ich im Moment für die Bereitung einer Urnengrabstelle 723 Euro und im nächsten Jahr 768 Euro zahlen muss, dann ist das übertrieben. Wir reden hier nur über das Ausheben und Auffüllen eines Erdlochs in der Größe 40 mal 80 Zentimeter. Dieser Preis ist deutlich zu hoch.“

Es fehlt ein Konzept

Es war nicht die populärste Entscheidung der SPD im Jahr 2014. Nur mit ihren Stimmen wurde die massive Steigerung der Friedhofsgebühren im Rat durchgepaukt. Zwar bedauerten die Genossen das, betonten aber die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Gebührenhaushaltes.

Was ist seither geschehen? Nicht viel. Hohes Wort in damaligen Diskussionen war der „Friedhofsbedarfsplan“. Eine Konzeption sollte her, wie man künftig mit den großen Flächen umzugehen gedenkt. Das Papier scheint in einem geheimen Tresor zu liegen. Das sehr simpel gestrickte Verfahren, um Gebührendefizite auszugleichen, wurde nicht überdacht.

Um die städtischen Friedhöfe attraktiver für Beerdigungen werden zu lassen, müssten die Kosten fallen statt steigen. Kirchengemeinden machen es der Verwaltung vor. Der Graf von Westerholt mit seinem Ruhewald auch. Nur wer es sich wirklich leisten kann, wird für eine Erdwahlgrabbestattung im nächsten Jahr 3751 Euro zahlen. Allein das Nutzungsrecht für 30 Jahre kostet 2522 Euro. Hier beträgt die Steigerung der Gebühren 55,9 Prozent seit dem Jahr 2006 (1618 Euro) – um die Fläche dann selbst pflegen zu dürfen.

Und Andreas Mäsing weiß, dass dies nur eine Position ist: „Um bei dem Beispiel zu bleiben: Eine dauergrabgepflegte Urnenbestattung kostet im Jahr 2015 in Summe 1649 Euro. Im nächsten Jahr dann 1758 Euro. Die Steigerung beträgt 6,62 Prozent. Warum?“

Für Blum und Mäsing stimmt die Richtung einfach nicht: „Hier wird nur geschaut, wie hoch das Defizit bei Gelsendienste ist. Die Zahl der Erdbestattungen sinken, es fehlt Geld, also werden die Gebühren entsprechend angehoben. Ein Konzept, wie man dem Trend wirksam begegnet, gibt es nicht.“ Nach einer aus Sicht der Bestatter und Friedhofsgärtner katastrophalen Erhöhung der Gebühren im Jahr 2014 im Bereich von 16,76 Prozent bei den Reihen- und von 18,53 Prozent bei den Wahlgräbern setze sich die Ratlosigkeit fort. Mäsing: „Wir haben jedes Ratsmitglied und den Oberbürgermeister angeschrieben, um an Diskussionen oder an Entwicklungen beteiligt zu sein.“ Reaktionen? Spärlich!

Kein Friedhofsbedarfsplan

Was etwa mit dem Friedhofsbedarfsplan sei, der aufgestellt werden sollte, fragt Andreas Mäsing „Was passiert mit den Flächen in der Zukunft?“ Gelsenkirchen halte aufgrund seiner früheren Größe Bestattungsflächen für 450 000 Menschen vor. „Soll aus diesen Friedhofsflächen etwa Bauland werden?“ Dirk Blum und Mäsing halten diesen Gedanken für völlig absurd und fordern an dieser Stelle Unterstützung: „Friedhöfe sind heutzutage mehr als reine Bestattungsflächen. Sie sind Parks, sie sind Orte für die Lebenden. Da lernen Kinder das Radfahren, da gehen die Menschen in Ruhe spazieren. In Gelsenkirchen sind 30 Prozent aller aktiven Grünflächen Friedhöfe.“

Vor der Beratung der Gebühren im Betriebsausschuss Gelsendienste am Mittwoch und der Haushaltsverabschiedung im Rat tags darauf geben sich Dirk Blum und Andreas Mäsing keinen Träumereien hin. Mit einer anderen Entscheidung als der Erhöhung rechnen sie nicht. Ihr Engagement aber wollen sie nicht zurückschrauben und weiter für die Sache streiten.

Die Friedhofskultur verändert sich 

Bundesweit liegt der Anteil der Feuerbestattungen laut dem Bundesverband der Bestatter inzwischen bei 54 Prozent, in Gelsenkirchen gar bei 70 Prozent.

„Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass die Zahl der Feuerbestattungen stetig ansteigt. Die Grundlagen für vermehrte Feuerbestattungen wurden etwa in Zeiten der großen Arbeiterbewegungen gelegt, weil Feuerbestattungen für alle erschwinglicher waren“, erklärt der Hamburger Sozialhistoriker Professor Norbert Fischer, der sich auf Forschungen zur Trauerkultur spezialisiert hat. Auch religiöse Gründe spielten eine Rolle: Vor allem in protestantischen Gegenden habe sich der Hang zu Feuerbestattungen durchgesetzt.

„Ein wichtiger Punkt ist sicherlich auch die wachsende Mobilität von heute. Familiengruften, in denen mehrere Generationen ihre letzte Ruhe finden, gibt es kaum noch, weil die Mitglieder der Familien inzwischen so weit verstreut leben. Eine Urne kann man einfach besser „umbetten“. Und sicherlich spielen bei einer großen Zahl der Feuerbestattungen auch finanzielle Gründe eine Rolle, denn diese sind oft sehr viel günstiger als Erdbestattungen und deren Grabpflege“, so Fischer, der allerdings auch schon einen gegenläufigen Trend ausgemacht hat. „Es gibt inzwischen Städte in Deutschland, die es ins Auge fassen, Erdbestattungen komplett kostenlos zu machen – um die Friedhöfe zu erhalten“, sagt er.

Fischer unterstützt eine Initiative, die Friedhöfe als „immaterielles Weltkulturerbe der Unesco“ anerkennen lassen will. „Unsere Friedhofskultur ist etwas besonderes. Das sollten wir schützen.“