Gelsenkirchen. . Laut Statistik ist Gelsenkirchen mit Medizinern mehr als gesegnet. Trotzdem sind viele Praxen überfüllt, zudem ist fast jeder zweite Hausarzt 60 plus.
Glaubt man der Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) zur Ärzte-Versorgung, gibt es vor Ort kein Problem. Im Gegenteil. 207 Prozent Chirurgen, 168 Prozent Psychotherapeuten, 158 Prozent Urologen und 124,8 Prozent Allgemeinmediziner. Ab 110 Prozent wird von Überversorgung gesprochen. Alles gut also?
Nein, ist Dr. Dagwin Lauer überzeugt. Der Zahnarzt und gesundheitspolitische Sprecher der FDP wünscht sich eine Imagekampagne, mit der junge Ärzte an Gelsenkirchen gebunden werden könnten. Zwar sei die Ärzteversorgung noch akzeptabel, wenn auch nicht so überwältigend wie die Statistik glauben macht. Aber das hohe Durchschnittsalter der Ärzte bei weniger Medizinabsolventen sorgt ihn.
Vollversorgung besteht vor allem bei Psychotherapeuten nur auf dem Papier
Dr. Klaus Rembrink, Leiter der Bezirksstelle der KVWL, stellte die aktuelle Lage auf Wunsch Lauers im Gesundheitsausschuss vor. Auch er sieht Handlungsbedarf. Das Praxisnetz ist bereits aktiv, um junge Ärzte an Gelsenkirchen zu binden. Das PJ (Praktische Jahr) in einer Hausarztpraxis wird finanziell gefördert, es gibt Patenschaften für Neu-Niedergelassene und anderen Hilfen.
Niedrige Lebenshaltungskosten, gute Bildung, Polizei , Feuerwehr und Toplage
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Dr. Lauer aber fordert, dass Gelsenkirchen aktiv seine Vorteile anpreist: niedrige Lebenshaltungskosten, gute Infrastruktur mit Polizei, Feuerwehr, Bildung. Zudem sollten jungen Ärzten ansprechende Grundstücke angeboten werden als Anreiz zur Ansiedlung. Dabei folgte ihm der Ausschuss nicht.
Vollversorgung heißt laut Berechnungsgrundlage: ein Hausarzt für 2129 Einwohner, auf 31.332 Einwohner ein Nervenarzt, auf 8761 Einwohner ein Psychotherapeut. Für Kardiologen gelten andere Grundlagen, Zahlen dazu gibt es nicht. Auch nicht zu den Zahnärzten. „120 sind es aktuell hier, vor fünf Jahren waren es 140“ erklärt Dr. Lauer. Auch hier gebe es wenig junge Ärzte. Bei Psychotherapeuten, erklärt Dr. Rembrink, ist das Problem, dass viele einen ganzen Sitz belegen, aber nur wenige Stunden anbieten. Auf dem Papier herrscht Vollversorgung, de fakto sind die Wartelisten schier endlos.
Als großes Problem sieht Dr. Lauer die Altersstruktur. 47 Prozent der Hausärzte hier sind älter als 60 Jahre, fast 20 Prozent älter als 65. Nur 87 Absolventen gab es in Westfalen-Lippe im Jahr 2013. Zudem will fast die Hälfte der jungen Ärzte lieber in einer Klinik arbeiten, Niederlassungswillige wollen am Liebsten in Versorgungszentren oder Praxisgemeinschaften, um nicht endlos Überstunden machen zu müssen.