Gelsenkirchen. Allgemeinmediziner beklagt, dass der hausärztliche Notdienst unter Druck Totenscheine ausstellen muss. Für die Festellung des Todes brauche es Zeit.
Ein Arzt aus Erle beklagt sich über den großen Stress im hausärztlichen Notdienst. Für den Allgemeinmediziner im Ruhestand zu aktiven Zeiten besonders schlimm: Unter Zeitdruck den Tod eines gerade Verstorbenen feststellen zu müssen. „Dafür ist die Zeit im hausärztlichen Notdienst ganz klar zu knapp“, sagt Dr. Wilhelm Kanzler, der 23 Jahre lang Allgemeinmediziner in Erle war.
Der 63-Jährige nimmt seinen Kollegen in Schutz, der im März fälschlicherweise den Tod einer Seniorin festegestellt hatte. Die 92-Jährige war im Kühlraum des Bestatters wieder aufgewacht. Wenig später starb sie im Krankenhaus. „Solche Fehler dürfen selbstverständlich nicht passieren“, sagt Dr. Wilhelm Kanzler. Trotzdem: „Einen Totenschein im hausärztlichen Notdienst auszustellen, ist eine unglückliche Situation.“
Obduktion finde zu selten statt
Um den Tod im ambulanten Bereich eindeutig feststellen zu können, müssen nämlich so genannte sichere Todeszeichen eingetreten sein. Hierzu gehöre etwa die Leichenstarre. „Die tritt aber erst mehrere Stunden nach dem Tod ein.“ Im hausärztlichen Notdienst könne man sich diese Zeit oft nicht nehmen.
Ein weiteres Problem sei die Frage nach der Todesursache. „Die kann ich als fremder Arzt oft gar nicht feststellen.“ Schließlich kenne er die Krankengeschichte des Patienten nicht. Bei „unbekannter Todesursache“ komme die Polizei, alles müsse immer sehr schnell gehen. „Eine Obduktion findet viel zu selten statt.“
Amtsarzt hat keine Beschwerden gehört
Dr. Wilhelm Kanzler schlägt vor, das Ausstellen von Totenscheinen zu institutionalisieren. „Warum können das nicht Amtsärzte oder Pathologen mit Gehilfen machen? Im hausärztlichen Notdienst warten schließlich noch lebende Patienten auf mich.“
Beim Gelsenkirchener Amtsarzt Klaus Mika kommt dieser Vorschlag nicht gut an. Es sei doch gesetzlich festgeschrieben, dass Hausärzte verpflichtet sind, im Notdienst auch Totenscheine auszustellen, heißt es auf Nachfrage. „Ich habe noch nie gehört, dass sich da jemand beschwert hat“, sagt Klaus Mika.
Stressiger Notdienst sei ein Einzelfall
Bei der Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (Kvwl) ist dagegen bekannt, dass es „in Einzelfällen“ extrem stressige Notdienste geben kann. Bereits im Jahr 2011 hat die Kvwl den ärztlichen Bereitschaftsdienst deshalb neu aufgestellt. Die Ziele damals: Gleiche Dienstbedingungen für alle Ärzte, enge Kooperation mit den Krankenhäusern und einheitliche Angebote für Patienten.
Das Ergebnis der Umstrukturierung stimmt die Kvwl optimistisch. „Die Dienstbelastung der Ärzte ist im Gegensatz zu den Jahren vor der Reform gesunken“, sagt Sprecher Jens Flintrop. Trotzdem seien Ärzte auch nur Menschen. „Einzelfälle können wir nicht verhindern. Und es gibt sicherlich Notdienste, in denen alles taktweise hintereinander geht.“ Man könne nur versuchen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen die Ärzte – auch im Notdienst – so gut wie nur möglich arbeiten können.