Gelsenkirchen. . Eine Tafel erläutert und ordnet die Geschichte des umgesetzten Denkmals am Schalker Verein ein. Es wird kein Kundgebungsort für den 9. November.
Zugewachsen stand die Steinstele mit dem massiven Schwert über Jahrzehnte in einem abgesperrten Teil des Hüttenwerks Schalker Verein für ein Stück deutsche Vergangenheit. Wirklich vermisst hat den öffentlichen Anblick des Kriegerdenkmals wohl kaum einer.
Doch am alten Platz standen die sieben Meter hoch getürmten tonnenschweren Granitquader mit der laubberankten Klinge an der Schauseite buchstäblich der Entwicklung im Weg. Die Stele wurde versetzt, transloziert, wie es heißt, und entwickelt jetzt optische volle Wucht an dem Weg, der bislang nur als fußläufige Verbindung zwischen den Planstraßen C und F in die Stadtpläne gefunden hat. 30 500 Euro hat der „Umzug“ gekostet. Saint Gobain als Eigentümerin des Ehrenmals hat die Arbeiten in Auftrag gegeben und 13.200 Euro übernommen.
Saint Gobain und die Stadt wollen das Terrain in Bulmke-Hüllen für Gewerbe und Wohnen erschließen, Bagger pflügen sich seit Jahren durch die industriellen Altbauten, schaffen Platz für Neues zwischen Europa- und Wanner Straße. Einen Steinwurf entfernt steht, aus Rohren zusammen gedengelt, die bunte „Göttin der Wasserwirtschaft“. Eine Skulptur, nicht schön, aber unumstritten. Anders das Ehrenmal, das zunächst an die 400 im Ersten Weltkrieg gefallenen Arbeiter des Schalker Vereins erinnern sollte und eine Weltkriegskatastrophe später auch an die Toten von 1939 bis 1945.
In der NS-Zeit wurde es 1937 errichtet – und ist in diesem Kontext, so die amtliche Denkmalwertbegründung, „bedeutend, da es beispielhaft“ den regelrechten Denkmalkult der Nationalsozialisten zeige und die Aufstellungspraxis im Dritten Reich dokumentiere, Kriegerdenkmale am Wirkungsort der Gefallenen zu errichten“.
Bäume werden noch am Mahnmal gepflanzt
2015 wurde das Ehrenmal in Abstimmung mit der Oberen Denkmalbehörde endgültig in die Denkmalliste eingetragen und damit als Baudenkmal unter Schutz gestellt. Nun steht es da, monumental und nur bedingt ein Ort der stillen Trauer. Rundum wird der Boden aufbereitet, Bäume sollen in nächster Zeit noch angepflanzt werden. „Es hätte etwas freundlicher ausgesehen, wenn es in der Vegetation gestanden hätte, aber das kommt noch“, sagt Stefan Goch, der Leiter des Instituts für Stadtgeschichte.
Leicht tut man sich dort nicht mit dem Denkmal „Das Monumentale stört, es erfordert einen gewissen Erklärungsaufwand, man muss sich damit auseinandersetzen“, sagt Goch. Zum Gedenken an die Reichspogromnacht sollte hier am 9. November die Abschlussrede gehalten werden. Nun wird es bei einer historisch-sachlichen Einordnung bleiben, die Mahnrede wird auf dem Alten Jüdischen Friedhof gehalten.
Ein schwarzer, polierter Stein mit der Inschrift „Die Toten mahnen zum Frieden“ steht bereits neben dem Denkmal. „In der Hoffnung, dass Aufklärung hilft“ wird es laut Goch noch eine Texttafel geben. Der Denkmalentwurf, heißt es dort, stamme von Halfmannshof-Künstler Hubert Nietsch. Der für seine im Stil des Backsteinexpressionismus errichteten Gelsenkirchener Bauten gefeierte Architekt Josef Franke bettete es in einen Ehrenhof hinter dem Werkstor ein. Wie auch die anderen Werke des Bildhauers „spiegelt sich in dem Kriegerdenkmal das nationalsozialistische Kunstverständnis. In seiner ursprünglichen Gestaltung verherrlichte es den Tod der Soldaten zum nationalen Opfer. Bis in den Zweiten Weltkrieg stand es regelmäßig im Mittelpunkt von Aufmärschen, bei der die Belegschaft auf den nationalsozialistischen Krieg eingeschworen wurde.“
Als Denkmal mit schwieriger Geschichte und Aussage steht das Mahnmal nicht allein in der Stadt:. Goch zählt den Machens-Platz auf, das Ehrenmal am Berger See oder das Turner-Denkmal am Grillo Gymnasium – aber vieles davon, sagt er, „ist eben von der Bevölkerung vergessen worden“.
VVN forderte: Keine Erinnerung am „Nazi-Schwert“
Die geplante Erinnerung an die Pogromnacht „an einem Nazi-Schwert“ hat im Vorfeld Widerstand ausgelöst: Für „ein anderes Gedenken zum 9. November“ warben Andreas Jordan und Knut Maßmann für die Gelsenkirchener Kreisvereinigung des VVN-BdA, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten. Einen offenen Brief richtete die Initiative an Oberbürgermeister Frank Baranowski als Schirmherr der Demokratischen Initiative.
„Ein Denkmal für die gefallenen Soldaten eines Krieges kann niemals ein adäquates Denkmal für jüdische Opfer der Nazis sein. Denkmal und Gedenkveranstaltung passen thematisch überhaupt nicht zueinander“, stellten Jordan und sein Mitstreiter Maßmann fest. Auch Rechtsanwalt Heinz-Günther Meiwes hatte arge Vorbehalte gegen den ursprünglich Abschlussort des Schweigezugs: „Eine mahnende Kundgebung gehört in die Mitte der Stadt.“ Als „traurigen Treppenwitz der Weltgeschichte“ mutet es daher für Meiwes an, „wenn solche Gedenkveranstaltung noch dazu vor einem NS-Denkmal aus dem Jahr 1937 stattfinden soll, das gerade erst aus der Versenkung gehoben und wiederentdeckt wurde.“
Nicht nur den Abschlussort des Zuges zu verlegen, sondern aus dem „Nazi-Schwert durch eine wirklich radikale Verfremdung ein antifaschistisches Gesamtkunstwerk“ zu schaffen, forderte die VVN. Zumindest der erste Teil der Botschaft wurde erhört.
Vom Gauß-Gymnasium zum Alten Jüdischen Friedhof
Zu einemSchweigezug treffen sich die Teilnehmer am 9. November um 18.30 Uhr auf dem Schulhof des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums, Hammerschmidtstraße 13.
Der Weg führt vorbei am umgewidmeten Kriegerdenkmal zum Alten Jüdischen Friedhof an der Ecke Wanner /Oskarstraße. Auf der Abschlusskundgebung dort spricht Oberbürgermeister Frank Baranowski als Schirmherr der Demokratischen Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie - Gelsenkirchen.
Am Mahnmal am früheren Schalker Verein wird der Historiker Prof. Dr. Wilfried Reinighaus zuvor eine historische Einordnung des umgewidmeten Kriegerdenkmals vornehmen.