Gelsenkirchen. Für „Denkort-Denkmal“ steht den Studierenden des Weiterbildungsskollegs Emscher-Lippe das Stadtarchiv als Bildungspartner zur Seite.
Pierre-Louis Stannies (23) und Timo Ischen (26) haben sich mit dem Geschichtsforscher-Bazillus infiziert und legen mit weiteren 21 Studierenden am Weiterbildungskollegs Emscher-Lippe (WEL) für den Projektkurs „Denkort-Denkmal“ freiwillig Überstunden ein. Zuweilen sitzen sie so lange höchst gespannt über spannende, historische Original-Dokumente gebeugt, bis das Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen (ISG) Feierabend hat. Die Studierenden recherchieren hier die denkwürdige Geschichte des Ehrenmals am Berger See.
Pierre-Louis Stannies erzählt: „Wir sichten in kleineren Gruppen von drei bis vier Leuten Unterlagen und tragen später unsere Ergebnisse zusammen. Daraus ergeben sich dann durchaus noch andere Aspekte, die zu recherchieren sind.“ Aspekte wie etwa Korruption, Veruntreuung von Spendengeldern oder ein dubioser Mord, angesiedelt im deutschen Nationalsozialismus in den Jahren 1933/34. Immer mehr Erkenntnisse über das Ehrenmal kommen bei der Arbeit des Projektkurses zusammen – da spielt die seit langem bestehende gute Zusammenarbeit mit dem ISG, namentlich mit Prof. Dr. Stefan Goch und Dr. Daniel Schmidt, den lernenden Jung-Historikern in die Karten.
Interesse an Geschichte wächst
„Wir werden tatkräftig von Professor Goch und Dr. Schmidt unterstützt. Wenn wir einen Termin vereinbart haben, dann suchen sie Unterlagen raus und erzählen auch die ein oder andere Anekdote“, sagt Timo Ischen, der in Oberhausen wohnt. Und der im Zuge des Ehrenmal-Projekts durchaus ein wachsendes Interesse an Geschichte entwickelt hat. Entsprechendes Studium nicht ausgeschlossen. Pierre-Louis Stannies ist sich da noch nicht so sicher.
Sicher ist aber, das (nicht nur) die Zwei vom Projektkurs und der Kooperation zwischen Weiterbildungskollegs und Stadtarchiv profitieren. Eine Verbindung, die jetzt auch einen ganz offiziellen Charakter hat: Kolleg und ISG sind eine Bildungspartnerschaft eingegangen, die das NRW-Schulministerium favorisiert und in einer Erklärung als wichtigen Beitrag zur kulturellen, historischen und politischen Bildung und der Chance, „mit vielfältigen Quellen unterschiedlicher Überlieferungsformen zu arbeiten“ beschreibt.
Aus Sicht des WEL wird das Institut für Stadtgeschichte sowohl als Archiv als auch als Dokumentationsstätte und Forschungseinrichtung für Studierende erlebbar. Mit der Universität Duisburg-Essen ist aktuell ein weiterer Kooperationspartner im Boot. „Denkort-Denkmal: Denkmäler als Ausdruck regionaler Identität“ wurde am Gelsenkirchener Weiterbildungskolleg bereits im ersten Projektkurs umgesetzt. Und zwar mit einer Semester-Arbeit über das Kapp-Putsch-Denkmal in Horst.
Und nun also das Ehrenmal in Buer. An dem so viele Menschen vorbei laufen würden, ohne sich über dessen Geschichte Gedanken zu machen, wie Pierre-Louis und Timo festgestellt haben. Weshalb ihre Arbeit sich auch mit der Frage der aktuellen öffentlichen Wahrnehmung des Ehrenmals beschäftigt.
Geschichtslehrerin lobt außerschulisches Engagement
Geschichtslehrerin Anja Held (51) betreut den Projektkurs. Und ist begeistert vom Engagement der Studierenden. „Sie investieren freiwillig sehr viel Zeit außerhalb des regulären Unterrichts“, betont sie. Der Unterschied zum „normalen“ Unterricht: „Im Projektkurs gibt es einen ganz anderen Zugang zu Geschichte. Die Informationen sind nicht gefiltert.“ Arbeitsblätter mit Quellennachweisen liegen nicht auf dem Tisch – die jungen Leute betreiben selbst Quellenforschung.
Und sind davon angetan, wie man Timo Ischen und Pierre-Louis Stannies anmerkt. „Wir recherchieren in Original-Dokumenten und müssen die Quellennachweise selbst bringen“, sagen sie. Und machen keinen Hehl daraus, wie spannend es etwa ist, Zeitungen aus der Nazi-Zeit zu lesen („Da gab es sogar schon Kontaktanzeigen“) oder persönliche Tagebuchaufzeichnungen zu studieren. Angefangen haben die Kursteilnehmer mit dem Thema Totenkult in der Zeit des Nationalsozialismus und sich dann der Entstehungsgeschichte des Ehrenmals und der Bauphase bis zur Einweihungsfeier gewidmet. Spannendes haben sie dabei erfahren: Schon während der Weimarer Republik geplant aber nicht realisiert, haben die Nazis die Idee, ein Ehrenmal zum Gedenken an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten zu bauen, aufgegriffen. Dafür wurden, so berichtet der 23-jährige Pierre-Louis, Spenden gesammelt. „Die Geldgeber standen damals mit Namen in der Zeitung, was Druck auf andere Leute ausgeübt hat.“ Und er hat noch mehr heraus gefunden: „Es sind damals viel mehr Spenden gesammelt als verbaut worden.“ Anders gesagt: Da sei Veruntreuung im Spiel gewesen.
Die Geschichte des Ehrenmals zu erforschen, war ein Vorschlag von ISG-Leiter Stefan Goch.