Gelsenkirchen. Die App “Interkom“ soll bei Notfällen im Ruhrgebiet künftig die Bürger informieren. Auch die Feuerwehr Gelsenkirchen beteiligt sich an dem Projekt.
Eine moderne Industriegesellschaft ist im privaten wie im öffentlichen Bereich abhängiger denn je von der Ressource Strom – doch was, wenn der „Saft“ weg ist? Wie den Betrieb in Gelsenkirchen aufrechterhalten und erst recht den im Ballungsraum Ruhrgebiet?
Synchronisation der Hilfe
Antworten auf diese hochbrisante Frage sucht die Feuerwehr Gelsenkirchen über ihr Forschungsprojekt „Interkom“. Dahinter verbirgt sich „eine Plattform für interkommunale Absprachen“, erklären Ansgar Stening (Oberbrandrat) und Roland Adam (Brandoberamtsrat). Zwar sind Städte organisatorisch selbstständig, die ureigene Struktur eines Ballungsraumes macht eine gemeinsame, flächenübergreifende Hilfeleistung und Kommunikation mit der Bevölkerung daher erst recht sinnvoll. „Man denke nur etwa an den Stromausfall vor einiger Zeit im Münsterland“, erinnert Stening, damals waren über Tage ganze Landstriche von Hilfe und Information abgeschnitten.
„Bei einem längeren Stromausfall bleibt das Mobilfunknetz etwa anderthalb Stunden funktionsfähig, die allgemeine Infrastruktur circa zwei Stunden aufrecht“, sagt Adam. Darüber hinaus gebe es an Krankenhäusern und anderen Einrichtungen wie Behörden zusätzliche Notstromaggregate – doch deren Kapazität sei Mangels Treibstoff nach 48 Stunden erschöpft. Und danach? Das ist die Frage.
App soll Menschen zu Anlaufstellen führen
Das Forschungsteam „Interkom“ verfolgt das Ziel, die Einsatzstäbe der Städte zu synchronisieren, damit künftig flächenübergreifend die gleichen Maßnahmen und Empfehlungen getroffen werden. Den Informationsaustausch über die kritische Zeit hinaus möglich machen soll, so die Idee, eine App. „Sie soll die Menschen durch den Stromausfall führen“, sagt Ansgar Stening.
Der Funktionsumfang des digitalen Helfers ist dementsprechend groß: Die App soll beispielsweise die Menschen ebenso „gezielt zu Anlaufstellen führen, wo sie Hilfe bekommen können“ wie zu Stationen, an denen sie ihr Handy aufladen können. Hinweise, zu jeder vollen Stunde das Radio einzuschalten gehören ebenso zum Portfolio der Plattform.
3,3 Millionen Euro stehen für Interkom bereit. Der Bund hat den VDI beauftragt, dieses Projekt federführend zu betreuen. Beteiligt sind neben Gelsenkirchen und dem Innenministerium die Städtepartner Bochum, Dortmund und Essen, sowie die Universitäten Ulm (psychologische Aspekte), Paderborn (technische Lösungen), die Hochschule Hamm-Lippstadt (Soziale Netzwerke/Kommunikation) sowie das renommierte Hamburger Robert-Koch-Institut.
„Spider“ in Startlöchern
Weit gediehen ist bereits das Projekt „Spider“, eine digitale Schnittstelle, die in technische Geräte der Feuerwehr integriert werden kann. Sie böte in Notfällen den Zugang und den Informationsaustausch mit der vorhandenen Gebäude-, Video- und Verkehrstechnik, dazu noch zum Einsatzleitsystem. Ein Prototyp hat bereits den Nachweis erbracht. „Mit diesem System könnten wir uns in Webcams oder Videokameras am Einsatzort schalten“, blickt Oberbrandrat Ansgar Stening in Zukunft.
Flucht- Rettungs- und Angriffswege für Menschen in Not als auch für die Retter ließen sich so schnell abgreifen und festlegen. Auch eine Überwachung der Einsatzkräfte ist denkbar. Ein vielversprechendes System, aber: Derzeit werden für „Spider“ noch datenschutzrechtliche Fragen abgeklärt, bevor das System in die industrielle Produktion gegeben werden könnte.
Kommentar: Gut angelegtes Geld
Forschung dient dem Fortschritt, kostet meist viel Geld und befindet sich oft im Zentrum von hitzigen Diskussionen über ihre Sinnhaftigkeit. Stichwort: Kosten.
Mit der fortschreitenden technischen Entwicklung bieten sich findigen Kriminellen aber immer auch neue Ansatzpunkte, andere Menschen zu attackieren und zu gefährden. Angesichts der weltweiten Krisenherde und der auch in Deutschland zunehmenden Bedrohungslage ist es daher gut und richtig, sich für den Fall der Fälle zu rüsten.
Weit hergeholt? Nein! Man denke nur an die Hacker im Bundestagsnetzwerk. Den Faden kann man problemlos weiter spinnen: Produktionsstraßen, Fußballstadien oder gar ganze Kraftwerkskomplexe.