Gelsenkirchen. Ein heißer Wind weht über die Gräber des katholischen Friedhofs der Altstadt, wirbelt trockene Blätter in gelben Wolken durch die Luft – und doch haben sich am Samstag zum heißesten Tag des Jahres 17 Interessierte an der Trauerhalle der Kirchstraße eingefunden, um Hildegard Schneiders bei ihrem Rundgang „Vergangenes in Stein“ zu lauschen.
Ein heißer Wind weht über die Gräber des katholischen Friedhofs der Altstadt, wirbelt trockene Blätter in gelben Wolken durch die Luft – und doch haben sich am Samstag zum heißesten Tag des Jahres 17 Interessierte an der Trauerhalle der Kirchstraße eingefunden, um Hildegard Schneiders bei ihrem Rundgang „Vergangenes in Stein“ zu lauschen.
„Sie sind sicher, dass Sie das durchhalten?“, fragt die frisch pensionierte Lehrerin und Stadtführerin besorgt. Das Thermometer zeigt 38 Grad und es gibt 36 Stationen zu besuchen. Einstimmiges Nicken, alle sind neugierig auf 90 Minuten Gelsenkirchener Stadtgeschichte.
Eine acht Meter lange Gruft
Gleich rechts neben dem Eingang zum Friedhof prunkt die acht Meter lange Gruft der Familie Strunk, eine Sandsteinmauer mit prächtigen neugotischen Spitzbögen. „Die Bauernfamilie war im 19. Jahrhundert durch Verkauf von Land zu Reichtum gekommen, den wollte man der Nachwelt präsentieren“, informiert Schneiders. Von gleichem Stolz, etwas im Leben erreicht zu haben, erzählen Grabsteine mit Berufsbezeichnung unter dem Namen. „Unternehmer“ steht dort – „Höfener war 1903 als Flüchtling nach Gelsenkirchen gekommen und hat sich hochgearbeitet.“
Die Epidemie der Spanischen Grippe von 1919 ist ebenfalls in Stein gemeißelt, ihr fiel Angela Höfener in jungen Jahren zum Opfer. Ein paar Schritte weiter ein Kenotaph, ein Grab ohne Gebeine. Sieben englische Namen sind verzeichnet, Insassen eines britischen Jagdbombers, die 1944 beim Absturz ins Kolpinghaus gestorben sind. „Probst Wilhelm Sternemann hat sich dafür eingesetzt, dass es dieses Denkmal gibt, nachdem der Freund eines Fliegers die Geschichte recherchiert hatte.“ Versöhnung über den Gräbern: Der 2005 verstorbene Sternemann war als 18-jähriger als Flakhelfer abkommandiert. Vom Engagement für die Gemeinde und der Kunstbegeisterung des Geistlichen erzählt Schneiders vor seinem Grab unter einer Trauerlinde.
Monumentale Grabstätte
Etwas weiter links die monumentale Grabstätte der Familie Bischoff, der steinerne Mantel eines Mannes mit großväterlicher Aura umschließt schützend zwei Kinder. „Das war doch der Pferdehändler!“, ruft einer der Gäste. „Genau genommen der erste „Leasing-Unternehmer“, lacht Hildegard Schneiders. Wilhelm Bischoff besaß den größten Pferdestall der Gegend und verlieh seine Tiere an viele Zechen. Und schon ist die Gruppe eingetaucht in die Bergbaugeschichte, an deren Anfang Vierbeiner die Loren unter Tage zogen. „Auch Stallmeister mussten mit in die Grube, um die Tiere fachmännisch zu versorgen.“
Volker Bruckmann vom Heimatbund stärkt die Teilnehmer mit kühlen Getränken, auf dem Friedhof gibt es noch viel zu entdecken. Die Frage ist, wie lange noch. „Wir bemühen uns alles fotografisch zu dokumentieren. Viele Gruften werden nach 25 Jahren aufgelöst, wenn die Belegungsfrist abgelaufen ist und die Nachfahren nicht mehr das Geld aufbringen, sie weiterzuführen.“ Das kann größeren Anlagen bis zu 10. 000 Euro kosten.