Gelsenkirchen. . Gut 100 Tage nach dem Startschuss für die Aktion „Wir können Pflege“ ziehen Arbeitgeber und Arbeitsagentur Gelsenkirchen eine Bilanz. Botschaft: Es wirkt.

Immer mehr pflegebedürftigen, vor allem älteren Menschen steht ein akuter Fachkräftemangel gegenüber. In Gelsenkirchen waren im Jahr 2010 noch 8300 Menschen pflegebedürftig, für 2030 liegen die Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schon bei 9200. In Bottrop sieht es ähnlich aus, hier liegt wie in Gelsenkirchen der Anteil bei der älter werdenden – und damit potenziell pflegebedürftigen – Bevölkerung weit über dem Landesdurchschnitt von 20,32 Prozent. Im Kontrast dazu steht die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Pflege – im November 2014 waren es in Bottrop 745 und in Gelsenkirchen 1728.

Im Bild: Projektkoordinatorin Andrea Lameck von Konkret Consult Ruhr und Karl Tymister, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Gelsenkirchen.
Im Bild: Projektkoordinatorin Andrea Lameck von Konkret Consult Ruhr und Karl Tymister, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Gelsenkirchen. © Funke Foto Services

Deshalb hat sich im Oktober 2014 ein breites Bündnis von Trägern und zwölf Unternehmen der Altenhilfe sowie der Arbeitsagentur und der Städte Bottrop und Gelsenkirchen geschlossen und eine Fachkräfteoffensive gestartet. Das Motto: „Wir können Pflege“.

Nun, gut 100 Tage später, ziehen Arbeitsagentur und Arbeitgeber eine Zwischenbilanz. Die Botschaft: „Radiospots, Plakataktionen und insbesondere auch die Info-Börse hier im Berufsinformationszentrum (BIZ) „haben Jobsuchende aufhorchen lassen“, wie Karl Tymister, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit GE jetzt berichtet. „Über 100 Bewerber haben sich gemeldet, viele von ihnen haben einen Platz gefunden.“ Weil es sich bei den Beschäftigungen neben festen Stellen auch um Ausbildungsplätze und Praktika handelt, die gerade laufen oder erst noch beginnen, steht die genaue Zahl erfolgreicher Vermittlungen in Lohn und Brot nicht fest.

Entgegenkommen der Arbeitgeber

Schwer angetan vom Job bei ihren neuen Arbeitgebern, den Pflegediensten SHD und HHK, sind etwa Fatma Backhaus (38), Mutter und gelernte Arzthelferin sowie Agnesia Dumaz (44), ehemals Krankenschwester auf einer Intensiv-Station. Von Arbeiten im Akkord keine Spur, im Gegenteil, „wir haben jetzt viel mehr Zeit für unsere Patienten. Da geht es nicht allein um Waschen und Medikamente. Nein, wir haben auch Zeit, uns mit den Menschen zu beschäftigen“, erzählen die Frauen. Für die meisten Pflegebedürftigen sei das der Höhepunkt des Tages – das Gefühl zu haben, da hört mir jemand zu, da nimmt sich jemand Zeit. Beide, so erzählen sie, spürten viel Dankbarkeit auf Seiten der Kranken und eine große Zufriedenheit bei sich, denn „wir werden respektiert“. Kleine Abstriche beim Lohn glichen flexible Arbeitszeiten und mehr Freizeit aus.

Die Förderphase der Aktion „Wir können Pflege“ in der Emscher-Lippe Region läuft im September aus. Weitere Spots in den Medien, in Kinos und im Internet sollen helfen, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Ein lohnender Einblick sowie Filme über Menschen, die diesen Schritt gewagt und nicht bereut haben, ist online zu finden.

Siehe dazu: www.wir-können-pflege.de

Kampf um die klugen Köpfe

Jobs in den Pflege haftet der Makel einer „Knochenmühle“ an. Die gab es und gibt es noch, aber vieles ist in Bewegung. „Es hat ein Wahnsinnskampf um die klugen Köpfe begonnen“, sagt Tymister, das beträfe die gelernte Pflegekraft bis hin zum Kaufmann im Gesundheitswesen. Die Arbeitgeber gingen zudem auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter heute mehr ein – allein schon, um ihren Bedarf zu decken.

Eine Einschätzung, die Hans-Josef Schrick und Tamer Albuz, die Geschäftsführer der Gelsenkirchener Pflegedienste SHD und HHK bestätigen: „Flexible Arbeitszeiten für Teilzeitkräfte, deren Partner im Schichtdienst arbeitet, sind heute ebenso normal wie Umzugshilfen oder ein Dienstfahrzeug, das man auch mal privat nutzen kann.“ Und natürlich die Bindung oder zumindest Anlehnung an Tarife.