Gelsenkirchen. Nur gewehrt hätten sie sich, sagen die beiden Angeklagten. Vorgeworfen wird ihnen aber versuchter Mord in einem blutigen Familienstreit.

Von Mordversuch kann nach Ansicht der Angeklagten keine Rede sein. Im Gegenteil: Sie selbst seien angegriffen worden und hätten in Notwehr gehandelt, erzählen Vater Karl B. (45) und Sohn Gino (25) am Montag vor dem Schwurgericht Essen. Die Anklage sieht dagegen einen versuchten Mord, weil Karl B. seine abtrünnige Cousine und „Schwiegertochter“, nach Sinti-Art mit Sohn Gino verheiratet, zurückholen wollte. Als die beiden in Ückendorf auftauchten, wo die Abtrünnige mit ihrem neuen Freund lebte, hätten sie Krach geschlagen. Ein Nachbar, der schlichten wollte, soll von Karl B., der nur ein Bein hat und an Krücken geht, bedroht worden sein. Hinterrücks hätte Sohn Gino sich angeschlichen und gerufen: „Jetzt schlage ich ihn tot.“ Als der Vater dies bejahte, hätte Gino B. dem Nachbarn einen Totschläger über den Hinterkopf gezogen. Das auf dem Boden liegende Opfer sei dann von den beiden mehrfach verletzt worden. Gino B. soll getreten, Karl B. seine Krücken eingesetzt haben.

Die beiden Angeklagten erklären die Ursache der Verletzungen anders. Karl B. lässt seinen Verteidiger Michael Wolff reden. Danach sei Familie B. aus dem Haus der Abtrünnigen über What’sApp mehrfach und schwer beleidigt worden.

Totschläger eingesetzt

Deshalb seien die beiden nach Ückendorf gefahren, um die Sache zu klären. Der Nachbar habe dann Vater Karl an die Hauswand gedrückt. Sohn Gino bestätigt einen derartigen Ablauf. Er will seinem Vater zur Hilfe geeilt sein. Plötzlich sei der Nachbar auf ihn zugelaufen. In Notwehr will Gino B. den Totschläger, den er zur Verteidigung immer dabei habe, eingesetzt haben. Er will das Opfer nur vorne getroffen haben. Das dessen Verletzung hinten blutete, wie Richter Andreas Labentz einwendet, kann er sich auch nicht erklären: „Keine Ahnung, ich habe ihn vorne getroffen.“ Es passt nicht ganz, dass Gino B. nach der Notwehr-Erklärung Reue zeigt: „Ich weiß, dass ich bestraft werden muss.“ Zu Beginn des Prozesstages war dem Gericht mitgeteilt worden, dass sich die Opferseite von der Familie der Angeklagten bedroht fühlt.