Gelsenkirchen/Wattenscheid. Er hatte von einem verunglückten Schuss bei seinem Selbstmordversuch gesprochen. Doch das nahm das Gericht dem 61-jährigen Wattenscheider nicht ab. Es verurteilte ihn wegen versuchten Mordes aus Heimtücke, weil er aus nächster Nähe auf seine Ex-Freundin geschossen hatte.

Das Urteil ließ an Eindeutigkeit nicht zu wünschen übrig. Am Mittwoch verurteilte das Essener Schwurgericht den 61-Jährigen aus Wattenscheid zu achteinhalb Jahren Haft wegen versuchten Mordes. Er hatte am 11. Januar in ihrer Wohnung auf seine zehn Jahre jüngere Gelsenkirchener Freundin geschossen, weil sie die Beziehung beendet hatte.

Als Mordmerkmal stellte das Gericht Heimtücke fest. Die Frau habe mit dem Schuss nicht rechnen können, als der Angeklagte seine Waffe zog, aus nächster Nähe auf sie schoss und sie dabei lebensgefährlich verletzte. Das Projektil hatte Lunge, Leber und Zwerchfell getroffen. In der Nähe standen dabei ihr Ex-Mann und ihr elf Jahre alter Sohn, beide ebenso überrascht vom Schuss. Der Angeklagte hatte die 51-Jährige am Abend des 11. Januar aufgesucht, um über die Trennung zu reden. Sie ließ sich aber nicht umstimmen. Die Waffe hielt er verborgen, als er ihr die Hand auf den Kopf legte und sie ansprach: „Und Du meinst, es ist richtig, was Du tust?“ Dann zog er die Pistole und feuerte sie ab.

Angeklagter sprach von einem verunglückten Selbstmord

Der Angeklagte hatte im Prozess stets jede Tötungsabsicht bestritten. Er selbst, zur Tatzeit betrunken und unter Medikamenteneinfluss, habe Selbstmord in Anwesenheit der Frau begehen wollen. Dabei habe sich der Schuss aber im falschen Moment gelöst und die Frau getroffen. Später änderte er seine Version, sprach von einem Querschläger, der das Opfer unglücklich getroffen hätte.

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Andreas Labentz, Vorsitzender des Schwurgerichtes, wies die Darstellungen entschieden zurück. Physikalisch ausgeschlossen seien die Versionen. Die Kammer hatte sogar Ballistiker gehört. Danach passten der Schusskanal im Körper der Frau zwar sehr gut zu ihrer Schilderung der Tat, keinesfalls aber zu seinem angeblich verunglückten Schuss. Und ein Querschläger könne es nicht sein, weil das sichergestellte Projektil keine Spur aufweise, dass es von einem harten Gegenstand abgeprallt sei.

In der Urteilsbegründung widersprach der 61-Jährige dem Richter häufig, guckte danach immer wieder treuherzig ins Publikum, präsentierte sich als Justizopfer. Doch mit der Wahrheit nahm er es schon zuvor nicht so genau. So hatte er dem Gericht zu Beginn des Verfahrens zwar erzählt, dass die Zollfahndung seit dem Sommer 2013 gegen ihn ermittele. Die bei einer Durchsuchung gefundenen 60.000 Euro hatte er allerdings als „Ersparnisse“ bezeichnet. In der Vernehmung durch die Zollermittler hatte er dagegen zugegeben, dass das Geld aus dem Zigarettenschmuggel stamme. Seine Garage war wohl der Umschlagplatz für rund zwei Millionen Zigaretten.