Gelsenkirchen. Der Einstand war etwas holprig, aber die heute 58-Jährige möchte nie wieder zurück. Sie liebt die neue Heimat und lebt gerne hier.

Rosalina arbeitete in einem Restaurant in Acapulco. Touristen gab es satt. Darunter Peter Laaser. Drei, vier Jahr kam der Urlauber aus Gelsenkirchen immer wieder, saß jeden Tag in der Bar – „mit einer Flasche Bier und einer Cola“. Und eines schönen Tages sagte er: „Rosi, komm’ mit nach Deutschland und heirate mich.“ Es sollte noch eine Weile dauern, bis die kleine Mexikanerin „Ja“ sagte, ihre Sachen packte und ihrem Peter, der mit seinen 1,86 Metern nach Rosalinas Ansicht viel zu groß für sie (1,50 m) war, nach Gelsenkirchen folgte. 28 Jahre ist das jetzt her. „Das war am Anfang schon ein echter Kulturschock für mich“, sagt die 58-Jährige rückblickend. Die kleine Frau aus Puebla, an das temperamentvolle Leben mit fünf Schwestern und einer Großfamilie gewöhnt, denkt nicht unbedingt begeistert an ihr erstes Weihnachtsfest in der neuen Heimat zurück. Sie hatte mit Herzblut lecker gekocht ... und dann ging ihre Schwiegermutter abends um Acht ins Bett und Mann Peter, Pförtner in einer Fabrik, musste arbeiten. Da saß sie also allein auf dem Sofa. Und dachte frustriert: „Die Deutschen sind langweilig.“

Als kontaktfreudiger Mensch bekam sie anfangs einige Dämpfer. Sie sprach noch kein Deutsch, ihr Mann dagegen Spanisch. Also war der Start in die neue Außenwelt holprig. Aber die kleine Frau ging ihren Weg. Nach einem Jahr holte sie erst einmal ihren Sohn nach Deutschland, den sie mit in die Ehe gebracht hatte. Sie fand Arbeit, fing als Reinigungskraft bei Gelsendienste an, wechselte aus gesundheitlichen Gründen vor drei Jahren in die Stadtbücherei. Und hatte bis 2013, als ihr Mann starb, einen festen Bekanntenkreis aufgebaut. Als Witwe zurück nach Mexiko? Nein. „Ich habe meine Freunde von früher aus den Augen verloren“, sagt sie. Und ihre Schwestern, die früher liebevoll lästerten: „Du bist die Jüngste, die Frechste und ziehst auch noch am weitesten weg“ – die hat es selbst längst in alle Himmelsrichtungen verschlagen.

"Mexiko ist sehr grausam"

Außerdem macht Rosalina Laaser gar keinen Hehl daraus, dass Mexiko momentan „sehr, sehr grausam ist. Jeden Tag werden dort vier, fünf Leute, meistens Frauen, ermordet gefunden.“ Selbst den für dieses Jahr geplanten Besuch in Puebla hat sie abgeblasen. „Das riskiere ich nicht.“ Sie lehnt sich auf dem Sofa mit dem bunten, typisch mexikanischen Überwurf zurück. „Ich bin glücklich in Gelsenkirchen, das ist meine Heimat. Gelsenkirchen ist tolerant.“

Und ein bisschen alte Heimat(kultur) hat sie hier selbst geschaffen: 2005 hat die 58-Jährige den Verein „Buenos Amigos de Mexiko Gelsenkirchen“ mitgegründet. Ein Jahr später gab es ein Riesenevent: Mexiko spielte bei der WM gegen Portugal – auf Schalke. 800 Leute kamen zu dem Freundschaftsfest im Wissenschaftspark. Aber auch die kleinen Feiern in Rosalinas Wohnzimmer werden gepflegt. Etwa der 15. September, der mexikanische Nationalfeiertag.

Von Menschen, die einst nach Deutschland kamen

Im bunten Gelsenkirchen leben viele Menschen unterschiedlicher Herkunft. An die 100 Nationalitäten sind hier vertreten. Die WAZ stellt in lockerer Folge Menschen mit ausländischen Wurzeln vor, die hier eine neue Heimat gefunden haben, die erzählen, warum sie nach Deutschland gekommen sind, was sie mögen, was sie vermissen oder wie sie die kulturellen Bräuche ihrer Heimat pflegen.

Etwa 57 Mexikaner sind im Verein Buenos Amigos de Mexiko Gelsenkirchen. Rosalina Laaser ist die Vorsitzende. Die eines gar nicht gerne mag: still und untätig auf dem Sofa sitzen.