Gelsenkirchen. 5,99 Euro kostete die Baumarkt-Säge, mit der sich ein Häftling im Sommer 2014 aus der JVA Gelsenkirchen befreien konnte. Jetzt steht er vor Gericht.
Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen begann am Donnerstag der Prozess gegen Egon L. (31), der am 9. Juli vergangenen Jahres spektakulär aus seiner Zelle in der JVA Gelsenkirchen geflüchtet war. Um 5.20 Uhr war er durchs Gitter vor dem Fenster geschlüpft, das er durchtrennt und zur Seite gebogen hatte.
Teuer war es nicht, den eigentlich als unüberwindbar geltenden Manganstahl durchzusägen. Eine Mitangeklagte hatte laut eigenem Geständnis ein Sägeblatt (Knastjargon: „Engelshaar“) in die JVA geschmuggelt. 5,99 Euro kostete es, wie die in ihrer Ahauser Wohnung entdeckte Quittung des Hellweg-Baumarktes zweifelsfrei belegte.
Ob der Stahl im Zellengitter marode war oder beim Bau der JVA im Jahre 1998 minderwertiges Eisen eingebaut wurde, weiß die Justiz bis heute nicht. Eine Materialprüfung sei bislang nicht erfolgt, sagte Detlef Feige, Sprecher des NRW-Justizministeriums, der WAZ: „Wir haben den Stoff nicht untersuchen können, weil die Staatsanwaltschaft Essen das Gitter bis zum Abschluss des Verfahrens als Beweismittel asservieren ließ.“
Angeklagte gaben sich zurückhaltend
Neun Prozesstage hat die Gelsenkirchener Schöffenrichterin Melanie Große für diesen Fall reserviert. Sie ist für das Verfahren in den Schwurgerichtssaal am Landgericht Essen ausgewichen, weil hier die Sicherheit besser gewährleistet wird.
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Fünf Angeklagte müssen sich verantworten. Die Flucht eines Häftlings in Deutschland ist zwar straffrei, wenn er alleine flieht. Doch Egon L. wird gemeinsam mit Andrei R. (28) Gefangenenmeuterei und Sachbeschädigung vorgeworfen. Denn Andrei R. soll ebenfalls die Flucht versucht haben, im Gegensatz zu Egon L., seinem Zellenkumpan im Haftraum MB 171, aber nicht durch das schmale Loch (35,5 cm hoch, unten 22,3 und oben 13,1 cm breit) gepasst haben. Drei weitere Angeklagte, zwischen 28 und 29 Jahre alt, sind wegen Gefangenenbefreiung und Strafvereitlung angeklagt. Da geht es um das Sägeblatt, die hinter die Mauer bugsierte Leiter, das Fluchtauto vor der JVA und schließlich das Versteck für Egon L., der in Gelsenkirchen acht Jahre Haft wegen Raubes absaß.
Zum Prozessauftakt geben die Angeklagten sich zurückhaltend. Verteidiger Carsten Keil beklagt die verschärften Haftbedingungen für Egon L.. Der Mandant lässt aber ahnen, warum das so ist. Als Justizwachtmeister ihm russische Dialoge mit Andrei R. untersagen, wehrt er sich vehement, so dass die Beamten ihn niederringen müssen.