Gelsenkirchen. . Der Bürgerverein um seine Vorsitzenden Georg Gerecht und Werner Backhaus feiert in diesem Jahr ein halbes Jahrhundert. Mit einer Mark Jahresbeitrag starteten die Gründungsväter 1965.

Eine Richtigstellung gleich vorweg: Der Bürgerverein Rotthausen wird in diesem Jahr keinen Tag älter als 50 Jahre. Der handschriftliche Eintrag „Bürgerverein in Rotthausen“ in einem 1883 herausgegebenen Liederbuch bezieht sich auf den Verein, der im 19. Jahrhundert in den Beisen gegründet worden war – damals zu Rotthausen gehörend, inzwischen längst auf Essener Hoheitsgebiet. Es bleibt also dabei: Im Mai stößt man an der Karl-Meyer-Straße 47 im „echten“ Gelsenkirchener Stadtteil auf ein halbes Jahrhundert Vereinsgeschichte an.

Das Themenkarussell hat sich seit der Geburtsstunde rasant gedreht, geblieben aber ist die Grundlage des Vereins: die „Lösung örtlicher Belange und die Pflege heimatlichen Brauchtums“, wie es vor fünf Jahrzehnten im Aufruf von Willi Zimmerman sen. zu lesen stand. Der damalige Herausgeber des „Rotthauser Wochenblatts“ hatte zur Bürgerversammlung am 22. März 1965 eingeladen, bei der er sich selbst als Referent empfahl und über „Aufgaben und Ziele einer Bürgervertretung“ sprach.

Kurzer Draht zur Politik

Mitte 1965 hatte der auf diesem Weg gegründete Bürgerverein außer einem elfköpfigen Vorstand um Johannes Delmere sen. und Heinz-Felix Mundt bereits 97 zahlende Mitglieder. Jahresbeitrag pro Nase: 1 DM. Damals, haben die Chronisten und geschäftsführenden Vorstandsmitglieder Georg Gerecht (59) und Werner Backhaus (72) auf ihrer Spurensuche für die Festschrift zum 50-Jährigen herausgefunden, haben die Rotthauser Banken und Sparkassen die Einladungen zu Versammlungen des Bürgervereins vervielfältigt und verschickt. Ja, die guten, alten Zeiten.

Aktuell zählt der Bürgerverein rund 260 Mitglieder. Unter ihnen auch personifizierte kurze „Drähte“ zur Politik wie etwa Bürgermeisterin Martina Rudowitz (SPD), der Süder Bezirksbürgermeister Michael Thomas Fath (SPD), CDU-Stadtverordneten Annelie Hensel oder CDU-Ratsfraktionsvorsitzender Wolfgang Heinberg. Angesichts der aktuellen Themenpalette des Bürgervereins eine nicht zu unterschätzende Sache.

Immerhin beackert der Verein außerhalb seiner wöchentlichen Bürgersprechstunden und den regelmäßigen Angeboten (Wandern, Radtouren, Jahresausflug, Firmenbesuche ...) Themen, die in die Politik spielen: die Stützmauer an der Hartmannstraße, der fehlende Spielplatz im Düppel, die Nutzung von Flächenpotenzialen für neue Arbeitsplätze oder Zuwanderung in Verbindung mit maroden Wohnungen/Immobilien. Präsent ist der Verein im Rotthauser Präventionsrat und im Arbeitskreis Volkshaus; er sitzt mit am interkulturellen Stammtisch, kooperiert mit dem Rotthauser Netzwerk, dem Stadtteilarchiv, der Bergbausammlung ...

Das Credo des engagierten Vorstands: den Menschen im Stadtteil zuhören.

Bürgerverein lehnte einst den Knast im Volkshaus ab

In die 50-jährige Geschichte fallen einschneidende Ereignisse, die Werner Backhaus beim Zusammentragen der Chronik zum Jubiläum schlagwortartig zusammengetragen hat. Relativ überraschend erwischte beispielsweise Ende März 1966 alle die Nachricht vom Aus für die Zeche Dahlbusch. Vorstands-Beisitzer Hermann Staudinger (71) meint: „Vorher war das Thema Schließung eher ein Geplänkel, dann wurde es ganz schnell ernst.“ Ein Jahr später hat der Bürgerverein „die Umwandlung des Volkshauses in ein Gefängnis strikt abgelehnt“. Ein Thema anno 1971 lässt Backhaus und die Vorstandsrunde schmunzeln. Da habe sich nämlich der damalige Vorstand mit dem Bau eines Eros-Centers beschäftigt – was schon in der Chronik 40 Jahre Bürgerverein Rotthausen festgehalten ist. Und noch ein Vorgang treibt ein Lächeln in die Mundwinkel der heutigen Protagonisten: Als 1975 mit der kommunalen Neuordnung in Gelsenkirchen die Bezirksvertretungen eingerichtet bzw. gewählt wurden, stellte man sich im Bürgerverein Rotthausen die Frage nach dem eigenen Fortbestand ...

Im Februar 1988 bezog der Bürgerverein an der Karl-Meyer-Straße 30 die erste Geschäftsstelle. Vorbei die Zeit der Tingelei durch die Gaststätten im Stadtteil, was, so Georg Gerecht, einen gewissen Charme hatte. Heute residiert der „BV“ im Osten der Straße im Haus Nr. 47.