Gelsenkirchen. WM hätte nie an Katar vergeben werden dürfen, sagt der Schalke Vorstand. Als Fifa-Mitarbeiter gehörte er zur Gruppe, die Vorbereitungen erstellte.
Wenn Alexander Jobst auf das Thema Katar angesprochen wird, bricht es aus dem sonst sehr besonnen formulierenden Marketing-Vorstand des FC Schalke 04 auch schon mal heraus. „Es ist diese Pauschalkritik, die immer wieder auftaucht und die ich nicht nachvollziehen kann. Das ist mir alles viel zu einseitig“, sagt der 41-Jährige im Gespräch mit der WAZ-Redaktion.
In den vergangenen vier Jahren schlugen die Schalker jeweils im Winter in Katar ihr Trainingsquartier auf, um sich auf die Rückrunde der Bundesliga vorzubereiten. Die Knappen waren Gäste in einem der weltweit größten Trainingszentren, der Aspire Academy for Sports Excellence westlich der katarischen Hauptstadt Doha. Kosten fielen für den Club nicht an, das war ein Bestandteil des Vertrages. „Die Bedingungen dort sind für uns ideal“, begründet Jobst die Entscheidung des Vereins, die in der deutschen Politiklandschaft kritisch begleitet wird.
Jobst war Mitglied einer Fifa-Gruppe
Warum? Weil die Korruptionsvorwürfe rund um diese Weltmeisterschaft nicht einmal ansatzweise aus der Welt geräumt sind und weil die Kataris auf ihren Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft für menschenunwürdige Bedingungen sorgten.
Der Internationale Gewerkschaftsbund etwa rechnete einmal vor, dass mindestens 4000 Gastarbeiter ihr Leben gelassen haben könnten, ehe das erste WM-Spiel angepfiffen wird. Da war von Zwangsarbeit bei Temperaturen von 50 Grad die Rede. Von der Verweigerung von Trinkwasser und von unhygienischen Bedingungen in überfüllten Unterkünften. Gastarbeitern seien die Pässe eingezogen worden. Lohn? Fehlanzeige!
Schalke muss bei Wahl des Trainingslagers sensibler sein
Sport und Politik lassen sich immer schlechter voneinander trennen. Nehmen wir den Fußball-Weltverband, die Fifa. Sie fordert von ihren Vereinen, bei Strafandrohung, sich weder mit Politik zu beschäftigen noch sich von ihr instrumentalisieren zu lassen. Was für eine naive Sichtweise im 21. Jahrhundert das doch ist. Dabei betreibt der Verband selbst nichts anderes als Politik, wenn er Fußball-Weltmeisterschaften gegen große Widerstände in die Wüste vergibt – und zu einer Aufklärung von Korruptionsvorwürfen nicht nur nichts beiträgt, sondern sie offenbar auch noch behindert.
Wie müssen sich da Vereine wie der FC Schalke 04 verhalten?
Mit Blick auf die Trainingslager in Katar deutlich sensibler. Die Arbeitsumstände, die die Scheichs dort den Arbeitern aufbürden, sind menschenverachtend. Schalke hätte ein Zeichen setzen und trotzdem der Fifa-Vorgabe folgen können, wenn es angesichts der Arbeitersituation eine Alternative zu Doha gefunden hätte. Einem Verein aus einer Arbeiterstadt Gelsenkirchen hätte das sehr gut zu Gesicht gestanden. Auch mit Blick auf die eigene Tradition und den Leitgedanken. Schalker Profis im Stollen zu fotografieren ist da durchaus mehr als nur ein Marketing-Gag.
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Wenn man betrachtet, wie WM-Arenen in der Wüste wachsen, müssen Clubs wie der S04 selbstkritisch die Frage stellen, unter welchen Bedingungen die Anlage der Aspire Academy for Sports Excellence entstanden sein mag. Der Beigeschmack ist fade. Und Trainingslager, für die Zukunft, können anderswo in der Welt unter guten Bedingungen durchgeführt werden.
Diese früheren Zustände kennt Alexander Jobst. „Die Weltmeisterschaft hätte niemals nach Katar vergeben werden dürfen. Da hätte die rote Fahne für absolute Vorsicht wehen müssen, weil weder Infrastrukturen noch eine Fanbasis und erst recht keine klimatischen Verhältnisse für so eine Veranstaltung vorhanden waren“, findet er deutliche Worte. Jobst selbst gehörte seinerzeit als Angestellter des Weltfußballverbandes (Fifa) zu einer Gruppe, die über acht Monate einen vorbereitenden Vergabe-Report erstellte. Der Schalker Vorstand weiß genau, wovon und worüber er da redet.
Politik und Sport werden getrennt
Doch spricht er heute auch für die Kataris. „Im Laufe der Jahre wurden sowohl Kritik angenommen als auch erste Verbesserungen eingeleitet. Darüber spricht niemand, aber das muss beachtet werden.“
Was Jobst aber wirklich stört, ist die Vermischung von Politik und Sport, wenn etwa der S04 und der FC Bayern München in Doha ihre Trainingslager durchführen. „Es gibt wichtige Aspekte, die betrachtet werden müssen: Zum einen der sportliche, für uns entscheidend. Weiterhin der wirtschaftliche Faktor. Und drittens die politische und humanitäre Seite, die für uns die undurchsichtigste ist. Deshalb können und wollen wir diesen Bereich nur in eingeschränktem Maße beurteilen. Im Rahmen unserer Möglichkeiten haben wir in den vier Jahren unserer Aufenthalte in konstruktiven Gesprächen unsere Sicht der humanitären Missstände im Land offen angesprochen. Durch eine Vielzahl an Aktivitäten, wie regelmäßigen Aufenthalten von Jugendteams in Gelsenkirchen als auch von Schalke-Seite in Katar, tauschen wir Erfahrungen aus und vermitteln aktiv unser Bild eines Umgangs miteinander.
Ob die Königsblauen noch einmal nach Katar gehen, ist offen. Nicht etwa weil der öffentliche Druck zu groß geworden wäre. „Der Vertrag mit Aspire ist ausgelaufen“, begründet der Marketing-Vorstand. „Mit Horst Heldt und dem Trainer müssen wir jetzt resümieren und dann sehen, wie ein neuer Vertrag inhaltlich ausgestaltet werden kann.“