Gelsenkirchen. . Die Essener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen vier Gelsenkirchener Polizisten. Bei seiner Festnahme wurde ein 44-Jähriger so schwer verletzt, dass er später starb.
Der Tod eines 44-Jährigen nach seiner Festnahme am Neujahrstag in Gelsenkirchen beschäftigt nun die Essener Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt gegen vier Polizisten, die an dem Einsatz beteiligt waren. Diese sollen den Mann, der bereits mehrfach wegen Gewaltdelikten aufgefallen war, verfolgt, niedergeschlagen und am Boden fixiert haben. Von einem „Faustschlag“ spricht die Behörde. Anwohner hingegen berichten von einer „total aggressiven Polizei“.
Die wusste wohl, zu wem sie da um drei Uhr am Nachmittag gerufen wurde, in die ärmlich wirkende Straße im Stadtteil Bismarck: Schon so oft waren die Beamten bei dem angeblich drogen- und alkoholkranken Mann, dass es heißt: „Fast jeder hatte mindestens einmal mit dem zu tun.“ In seiner Wohnung, wird erzählt, hingen überall Messer. Wenn die Polizei kam, soll er Rasierklingen unter die Türklinken geklebt haben.
"Wie ein Vieh behandelt"
An jenem Donnerstag vor einer Woche hatte eine Frau um Hilfe gerufen, zweimal rief sie die 110: wegen häuslicher Gewalt, später, als Qualm aus der Wohnung drang. Die Polizei rückte mit zwei Streifenwagen an, drei weitere folgten, dazu die Feuerwehr. Was dann geschah, schildern Polizisten so: Der 44-Jährige sei davongerannt, von zwei Beamten eingeholt worden. Er habe um sich geschlagen, im Handgemenge habe ein Kollege – ein kürzlich aus Essen gewechselter Kommissar Ende 20 – ihm den Faustschlag versetzt. Der Mann sei gestürzt und mit dem Hinterkopf auf den Bordstein gefallen.
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Das ist bislang auch der Stand der Untersuchungen durch die Staatsanwaltschaft Essen. Die Obduktion des Gelsenkircheners, die am Mittwochmorgen stattfand, habe allerdings noch kein endgültiges Ergebnis erbracht. „Wir ermitteln wegen Körperverletzung im Amt“, so Staatsanwalt Gabriel Wais.
Anwohner, die den Polizeieinsatz miterlebten, äußerten gegenüber dieser Zeitung deutliche Kritik. Der mutmaßliche Brandstifter sei keineswegs gerannt oder geflüchtet, sondern „ganz normal aus dem Haus gekommen“, berichtet eine Frau.
„Die Polizisten haben den Mann wie Vieh behandelt. Er blutete wie Sau“, sagt die 59-jährige Elke Steinhauer. Er habe zehn Minuten mit dem Gesicht zum Boden in einer Blutlache gelegen. Der Krankenwagen habe sich nur mit Mühe einen Weg durch die Einsatzwagen bahnen können.
Odyssee zwischen zwei Kliniken
Dass nun Gelsenkirchener Beamte gemeinsam mit der Essener Staatsanwaltschaft im Fall der eigenen Kollegen ermitteln, wollte Staatsanwalt Wais nicht kommentieren. Laut Innenministerium gibt es jedoch „keine Zweifel an der Objektivität der Ermittlungen“ durch die Gelsenkirchener. „Das Landeskriminalamt hat den Fall überprüft und so entschieden“, so Ministeriumssprecher Wolfgang Beus. Man agiere bei anderen Beamtendelikten ähnlich.
Amnesty International (AI) jedoch kritisiert, dass es in Deutschland kein unabhängiges Gremium für solche Untersuchungen gibt. „Wir halten es für schwierig, wenn dieselbe Institution zuständig ist. Verursacher und Ermittler haben zu geringe Distanz“, sagt Maria Scharlau, AI-Polizeiexpertin.
Auch die Odyssee des Verletzten mutet befremdlich an. Von einer Essener Klinik wurde er – nach dem Haftbefehl – in das Justiz-Krankenhaus Fröndenberg verlegt, das ihn kurzfristig wieder zurück nach Essen transportieren ließ. Und die Gelsenkirchener Polizei meldete den Fall nicht routinemäßig, sondern erst um fünf Tage verzögert, am Abend des Todes.
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Deren Sprecher Torsten Sziesz: Man habe „abgewartet, wie sich der Gesundheitszustand entwickelt“, um die Persönlichkeitsrechte des schwer verletzten 44-Jährigen zu wahren.
Bei aller Betroffenheit über den „tragischen Fall“, die Kollegen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) mögen „keine Kritik am Einsatzverhalten“ üben. Wenn ein Beamter angegriffen werde, sei es „absolut rechtmäßig“, so der Landesvorsitzende Arnold Plickert, sich „professionell zu verteidigen“. Das Gewaltmonopol liege beim Staat, im Ernstfall sei „für Kommunikation keine Zeit mehr“. Trotzdem schmerze die Nachricht: „Jeder Todesfall ist einer zu viel.“