Gelsenkirchen. Junge Gelsenkirchener sehen ihre Zukunft vermehrt in Schule oder Studium, anstatt in den Handwerksberufen. Ausbildungsverträge werden immer seltener.
Es kommen immer weniger Ausbildungsverträge zustande. In Gelsenkirchen waren es im neuen Ausbildungsjahr 2142. Dies sind 150 weniger noch als im Jahr zuvor und 603 weniger als 2011/2012.
Demgegenüber stehen offene Lehrstellen, deren Zahl ebenfalls nach oben tendiert. Der Ausbildungsmarkt befindet sich im Wandel. Auf der einen Seite gibt es durch den Strukturwandel immer weniger Betriebe im industriellen Bereich, also auch immer weniger Lehrstellen dort. Auf der anderen Seite sehen junge Menschen ihre Zukunft nicht in durchaus anspruchsvollen Handwerksberufen, sondern im schulischen Bereich beziehungsweise im Studium. Sie lassen Ausbildungsberufe links liegen. Mittlerweile sind es fast ganze Schulklassen mit dem Abschluss der Fachoberschulreife, die sich für die weitere schulische Ausbildung zum Beispiel an einem Berufskolleg entscheiden.
„Hier spiegelt sich die Deindustrialisierung der Region wider“
Dies lässt sich auch mit Zahlen der Agentur für Arbeit belegen. 2773 hatten sich im Sommer dieses Jahres ursprünglich für die Lehrstellensuche gemeldet. Gut 600 haben sich anders und unter anderem auch für die Schullaufbahn entschieden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht vor allem den Rückgang der Ausbildung in industriell-technischen Berufen mit großer Sorge. „Hier spiegelt sich die Deindustrialisierung der Region wider“, gab DGB-Regionschef Dr. Josef Hülsdünker zu bedenken. Wenn es nicht gelinge gegenzusteuern, „werden wir in wenigen Jahren Schwierigkeiten haben, die Industrie mit Arbeitskräften zu versorgen“.
Überzeugungskraft lässt nach
In ihren Beratungsgesprächen werben Mitarbeiter des Arbeitsamtes für die betriebliche Ausbildung. Praxistage in den Betrieben sollen die Lust an der Ausbildung wecken. Doch die Kraft der Überzeugungsarbeit lässt langsam aber sicher nach. Seit Jahren gibt es in der alljährlichen Liste der beliebtesten Ausbildungsberufe keinerlei Veränderungen. In Gelsenkirchen stehen nach wie vor die Berufe im Einzelhandel und in anderen kaufmännischen Bereichen (414 Ausbildungen wurden im letzten Jahr begonnen) seit Jahren an der Spitze. Kfz-Mechaniker (39) Elektroniker (39) und Bankberufe (36) folgen.
Dass es aber zu einer grundlegenden Änderung auf dem Ausbildungsmarkt kommen wird, daran glaubt auch IHK-Geschäftsführer Schulte-Übbing nicht. Er äußerte sich letzte Woche öffentlich über seine Einschätzung für die nächsten Jahre. Seine Prognose: Es wird ein Drittel weniger Ausbildungsplätze bis zum Jahr 2030 in der Emscher-Lippe-Region geben.