Gelsenkirchen. Das Sozialwerk St. Georg führt mit dem Bistro Auf Schalke, direkt an der Arena, einen Inklusionsbetrieb. Drei von vier Lehrlingen haben Assistenzbedarf. Unter ihnen: Ramadan Bajrami. Der 18-Jährige ist gehörlos, macht diese Einschränkung aber mit viel Fleiß und Ehrgeiz wieder wett.
Zettel, Stift und ein scharfer Blick auf die Lippen seines Gegenübers, das sind Hilfen, die Ramadan Bajrami nutzt, um die Herausforderung Ausbildung als Beikoch im Bistro auf Schalke zu meistern – wenn’s mal nicht so klappt mit der Verständigung zwischen ihm, dem Azubi und Chefkoch Franko Böger. Aber das ist selten der Fall. Und ungewöhnlich zudem, denn der 18-Jährige ist – gehörlos.
„Ramadan ist ein aufgeweckter junger Mann“, beschreibt Ausbilder Böger seinen Schützling und schmunzelt. „Er lernt schnell, hat Spaß bei der Arbeit und hat sich als einziger in den zwei Monaten bislang noch nicht einmal geschnitten“. Klingt banal, doch die Aussage rückt in ein ganz anderes Licht, wenn man berücksichtigt, dass hier unter dem Dach des Sozialwerks St. Georg drei von vier Lehrlingen „Assistenzbedarf“ haben, also mit einer Behinderung kämpfen. Und erst über lange Umwege wie Förderschule und andere Maßnahmen das Rüstzeug bekommen haben, überhaupt eine Ausbildung beginnen zu können.
Ein Jahr lang bereits Inklusion
Die bedeutet einen hohen Mehraufwand – für beide Seiten. Franko Böger als Ausbilder ist gehalten, seine Vier-Stufen-Methode mit sehr sehr viel Geduld und Akribie voranzutreiben. Die umfasst vereinfacht gesagt: vormachen, nachmachen, erklären, selber machen – und das immer und immer wieder aufs Neue. Die Azubis hingegen müssen ihre Einschränkungen mit großem Willen und Fleiß ausgleichen, damit die Ausbildung zum Erfolg führt.
Ein Jahr läuft der inklusive Betrieb mittlerweile, die Zwischenbilanz, die Chefkoch Böger und Karin Stäritz von der kaufmännischen Leitung ziehen, fällt positiv aus: „Selbst die, die zuvor noch so große Ängste hatten, einem Job im ersten Arbeitsmarkt nachzugehen, und nichts anderes ist das hier, selbst die entwickeln sich gut.“ Mitunter tauchten Probleme auf, beispielsweise sich einzuordnen, aber mit vereinten Kräften, etwa mit einem Sozialarbeiter als vertrautem Begleiter, seien auch diese Klippen zu umschiffen.
Spaß an der Sache
„Kochen macht Spaß“, gibt Ramadan mit lebhaften Gesten zu verstehen, Franko Böger übersetzt sie. In dem Beruf könne man anderen eine Freude machen. Salate und Geflügelgerichte haben es dem 18-jährigen Ückendorfer besonders angetan. Und, wie vielen, der Fußballverein FC Schalke 04. Was derzeit aber eher schwer verdaulichere Kost ist, aber sei’s drum. Gebärdensprache kann Böger übrigens nicht, er improvisiert mit Erfahrung und Einsatz, „schließlich muss man sich aufeinander zu bewegen“. So wie Ramadan, der bald in der Essensausgabe erstmals auf Kundschaft trifft. Die Wünsche wird er ihr dann wieder von den Lippen lesen. Und sollte es dabei Probleme geben, ein Kollege grad mal nicht in Reichweite sein, dann greift er kurzerhand zum Stift. Gelebte Inklusion eben.
Unverhoffte zweite Chance nutzen
„Ich hatte mich aufgegeben“, sagt Stefan Grössner. „Heute bin ich froh, den Schritt gewagt zu haben. Und darüber, dass man Menschen eine zweite Chance gibt.“ Der 29-Jährige ist nach einer abgebrochenen Lehre als Koch wegen Krankheit und später als Einzelhandelskaufmann abgerutscht. Niemand wollte ihn haben. Hilfsjobs in der Lagerlogistik oder in der Küche haben dann den Glauben an die eigene, größere Leistungsfähigkeit gebrochen. Es blieb: viel Resignation.
Jetzt holt der Gelsenkirchener lang Aufgegebenes nach, führt die Kochlehre zu Ende – da sind er und Bistro-Küchenchef Franko Böger sicher. Ein bisschen Glück war zuvor dabei auch im Spiel. Karin Stäritz (kaufm. Leitung), seinerzeit wegen Fördermaßnahmen für St. Georg bei der Handwerkskammer unterwegs, bekam auf dem kurzen Dienstweg die Anfrage, ob das Bistro einen Umschulkandidaten aufnehmen könnte. Und siehe da: Spätestens nach einem Probekochen hieß die Antwort: ja.
Aktuell hat das Bistro auf Schalke 20 Mitarbeiter, geringfügig Beschäftigte nicht mit eingerechnet. Es beschäftigt vier Köche und drei Beiköche.