Gelsenkirchen. Das vor einem Jahr wiedereröffnete Hans-Sachs-Haus machte der Krimi-Autor Volker Kutscher zum Dreh- und Angelpunkt für seinen ganz persönlichen „Mord am Hellweg“. Jetzt stellte er das druckfrische Werk und seinen jüngsten Roman im Gelsenkirchener Ratssaal vor.

Die Scheinwerfer im Ratssaal des Hans-Sachs-Hauses sind auf den Platz gerichtet, an dem für gewöhnlich der erste Bürger dieser Stadt sitzt, der Oberbürgermeister. Am Donnerstagabend aber saß hier ein Mann, der sich spektakulär und äußerst erfolgreich als Mörder betätigt, als literarischer. Volker Kutscher, Kult-Autor aus Köln, las an dem Ort, an dem auch seine neueste Krimi-Kurzgeschichte mit dem Titel „Gelsenkirchener Romanze“ spielt.

Historische Kulisse

Europas größtes internationales Krimifestival „Mord am Hellweg“ machte damit an ungewöhnlichem Ort Station mit seiner letzten Gelsenkirchener Veranstaltung für 2014. Der Ratssaal und seine Logen waren ausverkauft, als Volker Kutscher hier erstmals aus seinem noch druckfrischen Roman „Märzgefallene“ las. Seit 2007 schreibt der 1962 in Lindlar geborene Autor an einer überaus erfolgreichen Serie historischer Krimis, die allesamt in der Weimarer Zeit angesiedelt sind.

Der Clou: Er verwebt die Atmosphäre im modernen Berlin dieser Zeit mit dem amerikanischen Gangstermythos der dreißiger Jahre. Im Mittelpunkt steht Kommissar Gereon Rath, eine Figur, wie der Autor im Gespräch mit Festivalleiter Dr. Herbert Knorr gestand, die nicht unbedingt als Identifikationsfigur taugt: „Er ist kein klassischer Held, eher ein Mensch mit vielen Fehlern, aber das macht ihn irgendwie auch sympathisch.“ Was die große Schar an Lesern beweist. Raths fünfter Fall kreist um den Berliner Reichstagsbrand und um mysteriöse Soldatenmorde. In der Pause standen die Zuhörer Schlange, um das Buch vom Autor signieren zu lassen.

Noch gespannter warteten gerade die Gelsenkirchener auf Teil Zwei der Lesung. Die Kurzgeschichte „Gelsenkirchener Romanze“, eine Auftragsarbeit des Festivals für die Anthologie „Sexy.Hölle.Hellweg“, erschienen im Grafit-Verlag, spielt nämlich mitten in dieser Stadt und dabei vor allem im historischen Hans-Sachs-Haus. Im Februar weilte Kutscher für ein paar Tage in der Stadt, um vor Ort zu recherchieren und sich inspirieren zu lassen. Dr. Daniel Schmidt vom Institut für Stadtgeschichte half ihm dabei auf die Spur vor allem der Stätten, die während des Nazi-Terrors eine Rolle gespielt hatten.

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Geschichte mit viel Lokalkolorit

Der kitschig-harmlose Titel der „Gelsenkirchener Romanzen“ führt den Leser zynisch auf eine falsche Fährte, denn in dem Text geht es weniger um Romantik denn um einen bizarren Doppelmord im Jahre 1934, im Hoteltrakt des Hans-Sachs-Hauses, dort, wo sich die SA-Schergen versammelten. Der Mord, der Racheakt eines enttäuschten Hitlerjungen an seinem untreuen Geliebten, dem SA-Sturmbannführer. Kutscher erzählt mit viel Lokalkolorit drumherum samt rauchender Schlote, Pütt-Malochern und Schalke-Meisterschaft und hält am Ende einen überraschenden Plot bereit. Und beantwortete nach über zweieinhalb Stunden auch noch gerne die Fragen seiner Fans.