Gelsenkirchen. Die Stadt Gelsenkirchen und das Berliner Planungsbüro „S.T.E.R.N.“ stellten Sanierungsvorhaben im Wissenschaftspark zur Diskussion. Die Anwohner beklagen Lärm, Schmutz und die Sozialstruktur in ihrem Quartier.
Die Bochumer Straße mit ihren zahlreichen Häusern aus der Gründerzeit galt einst als Prachtstraße. Heute verfallen viele Gebäude, bröckeln Fassaden, vermitteln etliche Leerstände in Ladenlokalen ein trostloses Bild. Die Stadt will die Straße und das angrenzende Quartier durch Sanierung, Erneuerung, Umbau und Grüngestaltung wieder beleben. Sollte der Rat den Bereich zum Sanierungsgebiet erklären, wird der Revitalisierungsprozess zehn Jahre dauern. Die Stadt stellte ihre Pläne im Wissenschaftspark zur Diskussion.
Im Masterplan, den der Rat im April 2014 verabschiedet hat, sind die Sanierungsziele, die sich die Politik vorgenommen hat, nach Prioritäten festgelegt. Um einen Bereich zum Sanierungsgebiet erklären zu können, müssen städtebauliche Missstände vorliegen. Auch wenn diese auf den ersten Blick offensichtlich sind, hat die Stadt die Mängel in einer Voruntersuchung aufzulisten.
Negative Ausstrahlung auf Nachbarhäuser verhindern
Für die Stadt ermittelt das Berliner Planungsbüro „S.T.E.R.N. Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung“ ein Gesamtbild des Quartiers rund um die Bochumer Straße. Es ist quasi ein Sündenregister, in dem alle Mängel aufgelistet werden. Die Sanierungsexperten beschränken sich nicht nur auf die Erfassung des Bestands und aller Daten, sondern sie werden auch Ziele für die zukünftige Entwicklung und einen Sanierungsrahmenplan vorschlagen. Mitarbeiter des Teams untersuchen den Baubestand, wollen die Infrastruktur rund um die Bochumer Straße analysieren, eine Stärke-Schwäche-Analyse vorlegen.
Das Ergebnis der Sanierung wird abhängig davon sein, wie viele Hauseigentümer ein Interesse daran haben, Geld in die Hand zu nehmen, um ihr Objekt aufzuwerten. S.T.E.R.N.-Experten haben alle Hauseigentümer an der Bochumer Straße angeschrieben, wollen Interviews führen und den baulichen Zustand ermitteln.
Stefan Rommelfanger, Leiter der Koordinierungsstelle Stadterneuerung, sieht die Schwierigkeiten, Hausbesitzer mit ins Boot zu holen. „Es gibt zu viele Eigentümer, die kein Geld haben, um zu investieren.“ Unterstützung anbieten soll die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG). Rommelfanger, der gleichzeitig auch SEG-Geschäftsführer ist, glaubt, dass etwa 20 Häuser abgerissen werden. „Wir müssen versuchen, Investoren zu gewinnen, wollen eine Vorbild- und Anstoßwirkung erzielen und eine negative Ausstrahlung auf Nachbarhäuser verhindern.“
Verwaltung will Mehrzweckhalle
Viele Anwohner sagten bei der Anhörung deutlich, wo ihnen der Schuh drückt. Vor allem Lärm, Schmutz und die Sozialstruktur unter den Bewohnern erschwerten das Leben in dem Quartier. Viele Alteingesessene seien fortgezogen. Rommelfanger sieht das Problem, glaubt aber, dass die Aufwertung der Häuser auch Einfluss auf die Nationen-Vielfalt der Bewohner haben wird: „Wir wollen das Quartier stabilisieren und auch neue Mieter gewinnen.“
Die Liste der Mieterwünsche ist lang: Die einen vermissen Aufenthaltsräume, beklagen Schmutz-, Müllecken und Lärm, andere fordern Lkw-Verbot, mehr Polizeipräsenz in den Angsträumen und für interkulturelle Begegnungen ein Haus der Nationen.
Steuererleichterungen für Investoren
Das Planungsbüro S.T.E.R.N. will nach seinen Untersuchungen Mitte nächsten Jahres die Sanierungsziele vorstellen. In einem Sanierungsgebiet winken Eigentümern bei Modernisierung- und Instandsetzungsmaßnahmen erhöhte steuerliche Absetzungsmöglichkeiten.
Auch können Fördermittel beantragt werden. Die Stadt hat bei Veräußerungen ein Vorkaufsrecht und kann Baugesuche auch zurückstellen.
Zwei Nahziele hat die Verwaltung bereits im Auge: Neben der Kreuz-Kirche will sie eine Mehrzweckhalle mit dem Wissenschaftspark als Betreiber entwickeln. Im Haus Bergmannstraße 5 könnten neben 420 qm Wohnfläche Ateliers und Künstlerwerkstätten im Hinterhof entstehen.