Gelsenkirchen-Resse. Konflikte gewaltfrei lösen: Das trainieren die Schüler der Barbara-Grundschule in Resse jede Woche mit Hilfe eines “Faustlos“-Konfliktkoffers. Die Lehrer hoffen so, das Mitgefühl der Kinder zu stärken - und sehen bereits erste Erfolge des Trainings.
Draufhauen und zutreten, auch wenn das Opfer bereits am Boden liegt: Oft beklagt, gehören solche Szenen zum Alltag an Schulen. „Faustlos“ Konflikte zu lösen, scheint schwierig. Ist aber möglich. Davon jedenfalls sind die Lehrerinnen der Barbara-Schule in Resse überzeugt. Sie trainieren jede Woche in jeder Klasse mit Hilfe eines speziellen „Faustlos“-Koffers bei den Schülern die Fähigkeit zu Mitgefühl und den Umgang mit Ärger und Wut - mit Erfolg.
Dienstag, 10.45 Uhr: Sachkunde steht offiziell auf dem Stundenplan der 2 b von Klassenlehrerin Gabriele Czeschinski, konkret geht’s aber um Interpretationen von Bildern aus dem „Faustlos“-Koffer. 26 Mädchen und Jungen haben sich um die 51-Jährige auf den Boden gesetzt, und schon diese entspannte Haltung macht deutlich: Hier geht’s nicht ums Pauken, sondern um ein gleichberechtigtes Miteinander - der passende Rahmen eben, um soziale Lösungen für Probleme des Schüleralltags zu finden.
Mimik und Gestik deuten
Kaum hält Gabriele Czeschinski ein Foto mit einem allein stehenden Mädchen namens Hella hoch, recken sich bereits die ersten Finger in die Höhe. „Das Mädchen ist wütend“, erklärt eine Schülerin, „sie ist verärgert“, sagt ein Junge, „sie ist traurig und fühlt sich ausgeschlossen, vielleicht darf sie nicht mitspielen“, interpretiert ein anderer.
Die Lehrerin nickt bestätigend. Ein Lernziel hat sie in einem halben Jahr „Faustlos“-Training bereits erreicht: Die Kinder sind in der Lage, Mimik und Gestik anderer auf Fotos zu deuten und Vermutungen über deren Gefühlsleben zu entwickeln - Grundvoraussetzung für Mitgefühl.
Im darauf folgenden Rollenspiel gelingt es den Kindern dann, eine „sozial kompetente“ Lösung zu finden, mit der alle leben können, die von Respekt und Mitgefühl geprägt ist: Als die Gruppe Hella nicht mitspielen lassen will, bittet ein „guter Kümmerer“, so die Lehrerin, sich das noch einmal zu überlegen und Hella einzubinden. Erfolgreich.
Rollenspiele für soziale Kompetenz
„Nur wenn die Kinder selbst durchspielen, wie eine sozial kompetente Lösung aussieht, lernen sie die Feinheiten im sozialen Umgang“, ist Gabriele Czeschinski von dem Vorbildcharakter der Rollenspiele überzeugt. Sprich: Sich und andere verstehen zu lernen, sich mitverantwortlich zu fühlen für das Wohl anderer, ist auch ein Ziel des „Faustlos“-Programms, an dem alle 200 Kinder der Schule teilnehmen. Gleichgültig, ob es nun um einen Streit ums Radiergummi oder um Störattacken des Sitznachbarn im Unterricht geht. Dass Lösungen fair sein und die Gefühle anderer berücksichtigen sollten, steht zudem gut sichtbar auf einem Plakat an der Wand des Klassenzimmers.
Erste Verhaltensänderungen hat die 51-Jährige bereits ausgemacht bei ihren Zweitklässlern. „Sie bemühen sich immer mehr, die ,Faustlos’-Regeln umzusetzen.“ Gut Ding will eben Weile haben.