Gelsenkirchen-Hassel. Ende Januar geht Pfarrer Dr. Rolf Heinrich in den Ruhestand. Der 65-Jährige hat 34 Jahre in der Lukaskirchengemeinde gearbeitet. Besonders seine Arbeit im sozialen Bereich hat Spuren im Stadtteil hinterlassen, die weit zurückreichen.
Er war der Sozialarbeiter unter den Pfarrern der Region, nahm sich der Probleme der Menschen im Stadtteil an. Und davon gab es viele. Mit seiner Arbeit hinterließ er Spuren im Stadtteil. Ende Januar geht Dr. Rolf Heinrich nach 34 Jahren in der Lukaskirchengemeinde in den Ruhestand. Wobei der so ruhig nicht zu werden scheint.
Dass er sich vieler weltlicher Probleme annahm, stieß nicht überall auf Verständnis. „Was mir häufig begegnet ist, ist der Satz: Das ist doch nur Sozialarbeit. Dahinter steckt der Gedanke: Das ist doch zu wenig. Religion ist doch viel mehr, als Menschen zu helfen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. So etwas wie Selbstbewusstsein zu entwickeln bei Menschen in Notlagen, scheint mir aber ungeheuer wichtig. Das Christliche an der Sozialarbeit ist doch, einen Menschen zu nehmen, wie er ist“, so Rolf Heinrich. Denn genau die soziale Komponente war es, die den Theologen in eine Gemeinde trieb.
Eigentlich wollte er an der Uni bleiben
Eigentlich hatte er sich vorstellen können, an der Universität zu bleiben. Nach dem Examen im Alter von 24 Jahren arbeitete er an der Uni Aachen und in Bethel: „Dann stellte ich aber fest: Das ist eine Lebenswelt ohne Fleisch und ohne Bein.“ Bewusst entschied sich der gebürtige Hagener für eine Arbeitergemeinde im Ruhrgebiet. Die lag in Hassel, wo er schon vor seiner Wahl ein einschneidendes Erlebnis hatte.
Ein Bergmann war auf der Zeche Westerholt tödlich verunglückt. „Im Trauergespräch wurde schnell deutlich, dass die Unfallursache mangelnde Sicherheit unter Tage war.“ Der Bergfremde machte sich kundig, sprach wieder mit der Familie des Unfallopfers: „Und ich hatte den Eindruck: Das muss auch gesagt werden. Mein Anliegen war es, stellvertretend für die Angehörigen im Trauergottesdienst auszusprechen, was sie nicht konnten.“ Das unkonventionelle Verhalten hatte Folgen: „Es führte zu einer Klage wegen Beleidigung.“ Sogar der Betriebsrat klagte mit. In zweiter Instanz vor dem Landgericht wurde die Klage abgewiesen. Der Pfarrer erhielt auch juristisch das Recht, die Belange seiner Gemeindeglieder öffentlich zu äußern. „Und danach wurde ich gewählt. Meine Frau und ich hatten uns gesorgt, diese Entscheidung trüge zu einer Ablehnung bei. Aber im Gegenteil. Ich hatte den Rückhalt der Gemeinde.“
Er wurde zum Freund der Bergleute
Der Pfarrer wurde zum Freund der Bergleute. Immer wieder erhob er für sie das Wort, unterstützte bei der Gründung von Bürgerinitiativen. „Wenn die Aufgabe der Gemeinde ist, beizutragen, dass Menschen würdig leben können, spielt die Arbeitswelt eine große Rolle.“ In Gottesdiensten ließ er die Kumpel selbst sprechen. „Wenn das in Form eines Gottesdienstes vorkommt, hat es eine andere Bedeutung, es wird das Forum Gottes gestellt, wenn man so will. Nichts anderes haben die Propheten gemacht.“
Und auch als sich der Bergbau seinem Ende näherte, befasste sich Rolf Heinrich mit der Lebenswirklichkeit der Menschen in Hassel. Die Idee zum Stadtteilzentrum wurde geboren. Ein Raum, der auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht: „Das sprengt die Grenzen der Konfessionen.“ Ein weiterer Aspekt in der Arbeit des Pfarrers, der schon vor vielen Jahren interreligiöse Gottesdienste hielt und mit einem Hodscha predigte.
Wenn der 65-Jährige Ende Januar in den Ruhestand geht, will er seinen Lehrauftrag an der Universität Duisburg Essen weiter ausüben. Und Bücher schreiben. Über seine Erfahrungen als Pfarrer zum Beispiel. „Theologe bleibt man ein Leben lang. Ich wechsele nur die Arbeitsbereiche.“