Gelsenkirchen-Beckhausen. Weil sich immer weniger Gelsenkirchener in ihrer Heimatstadt bestatten lassen, erweitern die Gelsendienste das Angebot – nun auch in Beckhausen.

Die Krone der separat stehenden, etwa 30 Meter hohen und mehrere Jahrzehnte alten Linde erhebt sich majestätisch über einer ansonsten verwaisten Rasenfläche. Hier, rund um den prächtigen Baum auf einem 1500 Quadratmeter umfassenden Areal, soll der teilweise außer Dienst gestellte Alte Friedhof Beckhausen am Rande der Ekhofstraße reaktiviert werden. In einem so genannten Friedhain können alle Hinterbliebenen ab Januar 2020 die Überreste ihrer verstorbenen Verwandten in Urnen bestatten lassen. In seiner Sitzung am Donnerstag, 31. Oktober, will der Rat der Stadt den entsprechenden Beschluss fassen.

„Wir folgen mit dieser Entscheidung einem Trend, der sich nun schon seit längerem abzeichnet. Immer mehr Menschen planen für ihre eigene Bestattung oder die eines Angehörigen mit einer naturnahen, aber auch möglichst pflegefreien Lösung“, sagt Sabine Otthöfer. Die 62-Jährige ist die zuständige Abteilungsleiterin Stadtbildpflege bei der städtischen Tochter Gelsendienste und kümmert sich dort bereits seit dem Jahr 1981 um die zwölf städtischen Friedhöfe in dieser Stadt. Acht davon laufen derzeit im Vollbetrieb, so Otthöfer. Die anderen vier, darunter auch besagter in Beckhausen, seien teilweise außer Dienst gestellt.

Der Alte Friedhof Beckhausen bewegt seit Jahrzehnten die Gemüter

Bei einem Rundgang über den Alten Friedhof Beckhausen schilderte Sabine Otthöfer von den Gelsendiensten die Vorzüge des neuen Friedhain-Konzeptes, das dort ab Januar 2020 greifen soll.
Bei einem Rundgang über den Alten Friedhof Beckhausen schilderte Sabine Otthöfer von den Gelsendiensten die Vorzüge des neuen Friedhain-Konzeptes, das dort ab Januar 2020 greifen soll. © Heinrich Jung

Seit über fünf Jahrzehnten bewegt dieser Alte Friedhof die Gemüter: Denn bereits ab 1965 sollten dort nur noch ins Ausnahmefällen Verstorbene ihre letzte Ruhestätte finden. Es formierte sich aber massiver Protest in der benachbarten Bevölkerung. Und dank einer Initiative des Bürgervereins Beckhausen wurde der Friedhof 1977 dann tatsächlich wieder geöffnet – allerdings nur für Bestattungen in Reihen- und Wahlgräbern bei einer 30-jährigen Ruhefrist. Diese Regelung sollte so lange gelten, bis der neue Friedhof Beckhausen-Sutum an der Agnesstraße eröffnet wird.

Das war dann im Juli 1986 der Fall. Ab diesem Zeitpunkt durften auf dem Alten Friedhof nur noch nicht belegte Grabstellen von Wahlgräbern belegt werden. Laut Gelsendienste-Sprecher Tobias Heyne sind auf der insgesamt 2,7 Hektar großen Friedhofsfläche derzeit nur noch rund 190 Gräber zu finden. „Dank der vielen Freiflächen erinnert das hier eher an einen Park als einen Friedhof“, sagt Sabine Otthöfer, während sie durch die nicht wärmen wollenden Strahlen der kühlen Oktober-Sonne auf einem der Friedhofswege entlangläuft.

Ein kleiner Findling für jeden Verstorbenen darf hier aufgestellt werden

Die Zeichnungen lassen erahnen, wie groß die Findlinge mit dem Namen und den Lebensdaten der Verstorbenen sein dürfen.
Die Zeichnungen lassen erahnen, wie groß die Findlinge mit dem Namen und den Lebensdaten der Verstorbenen sein dürfen. © Heinrich Jung

Und genau dieses Ambiente soll auch künftig gewahrt bleiben. Dazu sollen noch einige Büsche und Sträucher entfernt werden – oder wie Otthöfer es nennt: „Den Bereich wollen wir noch auslichten.“ Wichtig: Einen solchen Friedhain gibt es auch schon auf dem Hauptfriedhof in Buer sowie auf dem Friedhof Ost (Bismarck), West (Heßler) und Süd (Ückendorf). Dort sind neben Urnen- auch Sargbestattungen möglich. In Beckhausen werden künftig nur Urnen erlaubt sein. „Dafür wird es nur hier in Beckhausen die Möglichkeit geben, einen kleinen Findling mit dem Namen und den Lebensdaten eines einzelnen Verstorbenen aufzustellen“, sagt Otthöfer. Bei den anderen Friedhöfen gebe es nur Stelen, auf denen die gesammelten Daten aller Verstorbenen stehen.

Diese individuelle Findlings-Lösung sei ein Plus für den Alten Friedhof, so Otthöfer. Und im Vergleich zur immer beliebter werdenden Waldbestattung gebe es hier einen geschützten Raum mit befestigten Wegen plus Infrastruktur wie Toilettenanlage und Wasseranschluss. „Wir müssen es wieder schaffen, dass sich mehr Menschen aus Gelsenkirchen auch in ihrer Heimatstadt bestatten lassen“, so Otthöfer.

Immer weniger Gelsenkirchener lassen sich in ihrer Heimstadt bestatten

Sie untermauert das auch mit Zahlen: Gab es im Jahr 2009 noch insgesamt 2577 Bestattungen auf städtischen Friedhöfen waren es 2018 nur noch 2024. Auch die Urnenbestattungen sind in diesem Zeitraum deutlich beliebter geworden. Lag ihr Anteil vor zehn Jahren noch bei 37 Prozent (Erdbestattungen: 63 Prozent), so waren es 2018 bereits 54 Prozent – also mehr als Erdbestattungen (46 Prozent).

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Und dass man zum Handeln gezwungen sei und noch mehr Bestattungsmöglichkeiten als bisher anbieten will, verdeutlichen auch diese Zahlen: Von den 3616 hier insgesamt Verstorben wurden im Jahr 2009 mit 2577 noch 71 Prozent auch in Gelsenkirchen bestattet. 2018 lag dieser Wert nur noch bei 63 Prozent. Das heißt: Immer mehr Angehörige nutzen Angebote in Nachbarstädten, um Verstorbene bestatten zu lassen. „Da wollen und müssen wir gegensteuern“, so Otthöfer.