Westerholt. Im Februar ist Ex-Schalke-Manager Rudi Assauer in Herten anonym beerdigt worden. Damals kamen Scharen Richtung Grab. Jetzt ist meist Ruhe.

. Es ist einer dieser Tage, an dem das Schloss daliegt wie hingegossen: Sonne über den klassizistischen Giebeln, Enten planschen im Wassergraben, und obwohl das Wochenende nicht um die Ecke ist, umrunden Scharen von Radfahrern die ehemalige Burg aus dem 14. Jahrhundert. Viele Besucher zieht es heute in den Schlosswald zwischen Herten und Gelsenkirchen. Dahin, wo sie im Winter Rudi Assauer beerdigt haben. Wer war da noch genau dabei, an diesem 12. Februar? Die eine Tochter, die andere Tochter, die Thomalla? Huub Stevens. Der Calmund. Ein paar Paparazzi.

Auch Susi Neumann ruht im Beerdigungswald

Carlo Graf von Westerholt durchwippt seinen Forst.
Carlo Graf von Westerholt durchwippt seinen Forst. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Richtig viele kamen jedenfalls erst in den Tagen und Wochen danach, sagt Graf Carlo von Westerholt, dem die 200 Hektar Wald rund um die pittoresken Gebäude gehören. Vor vier Jahren hatte der Schlossherr („Sagen Sie einfach Graf Westerholt!“) 33 davon zum Gräberfeld „Ruhestätte Natur“ umgewidmet. „Rudi Assauer ist ja nicht die erste Berühmtheit, die hier begraben liegt, kurz vorher wurde hier ja auch schon die kämpferische Putzfrau Susi Neumann beigesetzt“, erzählt der Graf. Er hat sich Zeit genommen für einen Spaziergang mit uns. Wegen Rudi, aber auch so. Wippenden Schrittes durchmisst der Herr seinen Forst. „Spaziergänger genießen es hier.“ Morgens die mit Hunden. Samstags die mit Rädern. Und abends wieder die Hunde. „Man kennt sich irgendwie.“ Trotzdem, meint Graf Westerholt, sei es schon Wahnsinn gewesen, was in den Wochen nach dem Tod des ehemaligen Schalke-Managers auf dem Gelände losgewesen sei. „Die Fans sind durch den Wald gezogen und haben alle Bäume abgesucht. Sind natürlich nicht fündig geworden.“

Asche in einer Urne, kaffeekannengroß

Ganz bewusst hatten sich Assauers Familie und enge Freunde entschieden, die genaue Stelle des Grabes geheim zu halten. „Die Baumnummer kennen nur ganz wenige, ich müsste die auch erst nachgucken.“ Der Graf lehnt sich gegen eine Buche. Denn das ist, was bleibt von denen, die hier ruhen. Asche in einer Urne, Kaffeekannengroß, 80 Zentimeter in der Erde unter einem Baum. Mit einer Plakette und einer Nummer. Vielleicht mit Namen, Geburts- und Sterbedatum, wenn die Lieben es wollen.

Eine Träne fließt fast

Gräber kosten zwischen 550 und 9900 Euro

Ein schlichtes Holzkreuz mit Altar und Bänken: Im Wald gibt es zwei Andachtsplätze. Viele Menschen entscheiden sich bewusst für eine Beerdigung im Wald: „Schon zu Lebzeiten kann man sich seinen Baum aussuchen“, erklärt Carlo Graf von Westerholt. Zwischen 550 bis zu 9900 Euro – vom Einzelplatz, den der Förster aussucht, bis zum Familienbaum, um den herum zwölf Urnen beigesetzt werden können – kosten die Ruhestätten. Hinzu kommen später Beisetzungskosten.

In der ersten Parzelle des Waldes vor vier Jahren hatte Förster Ole Busch 490 Bäume ausgesucht, unter denen Urnen beigesetzt werden können. „Inzwischen sind wir im vierstelligen Bereich“, sagt Graf Westerholt.

Auch Irmgard Kland hat keine Ahnung von Assauers Grab. Aber dass die Blau-Weißen nach der Beerdigung hier im Unterholz waren, daran erinnert sich die Bueranerin. „Wissen Sie, ich habe erst vor Kurzem meinen Mann verloren. Er wollte hier in Westerholt begraben werden. Und wenn ich hier spazieren gehe, fühle ich mich ihm immer noch nah.“ Die 63-Jährige seufzt. Dass mit dem Namen am Baum: „Das bereue ich manchmal. Da denke ich, hätte ich doch nicht seinen Namen da aufgehängt. Auf dem Schild, das ist er ja nicht.“ Ein bisschen beschlägt die Brille dabei, eine Träne fließt fast. Jeden Tag marschiert die Witwe Kland mit ihrem Hund hierher zu ihrem Mann, über Geäst, durch Blattwerk, auf Augenhöhe mit den Zweigen, die jetzt blühen. „Ja, das verstehe ich schon“, überlegt sie. Dass jeder einen Ort zum Trauern braucht.

Hund sollte Fährte von Rudi erschnüffeln

Ein Baum, eine Marke, eine Urne im Waldboden: Bei einer anonymen Bestattung in der „Ruhestätte Natur“ in Westerholt bleibt der Name des Toten geheim.
Ein Baum, eine Marke, eine Urne im Waldboden: Bei einer anonymen Bestattung in der „Ruhestätte Natur“ in Westerholt bleibt der Name des Toten geheim. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

„Persönlich kannte ich den Rudi Assauer ja nicht“, winkt der Graf ab. Aber die, die ihn zu kennen glaubten, hat er schon kennengelernt. Oben im Schlossbüro zum Beispiel. „Da kam eine Gruppe mit Hund herein. ,Wir haben hier eine Jacke von Rudi, der Hund kann ihn aufspüren im Wald, wenn er die Fährte der Jacke aufnimmt’, meinten die. Ich dachte, die spinnen. Aber die haben den Hund echt losgeschickt. Der hat natürlich auch nichts gefunden.“

Nach drei Jahren verfällt alles

Das mag auch daran liegen, dass Urne und Asche mit der Zeit buchstäblich dem Waldboden gleich gemacht werden. „Nach drei Jahren verfällt alles“, erläutert Marcel Feldberg, Bestatter von Vest Bestattungen, während er Stühle in seinen Transporter hebt. Urne. Asche. Nichts bleibt. Gerade hat er die sterblichen Überreste eines nicht mal 60-Jährigen in den Waldboden eingelassen. „So viele wie heute kommen nicht immer. 50 Gäste hatten wir bestimmt. Aber wenn einer so mitten im Leben stand: Sportverein, Schützenverein, Kinder und Enkel...“

Bäume im vierstelligen Bereich

Wir wandern noch ein bisschen mit dem Grafen. Der Unternehmer beobachtet eine wachsende Nachfrage nach naturnahen Bestattungen. In der ersten Parzelle hatte sein Förster Ole Busch 490 Bäume ausgesucht, unter denen Urnen beigesetzt werden können. „Inzwischen sind wir im vierstelligen Bereich.“ Der Graf lässt sich auf eine Bank fallen. Zufrieden blickt der Schlossherr auf sein Grün. Die Witwe hat sich umgedreht. „Moin“, grüßt er. Sie nickt.