Scholven. Immer weniger Gäste hat das Gelsenkirchener Wirtshaus. Stammtische und Treffen von Kegelclubs werden seltener. Der Bülser Hof muss schließen.

Auf den rustikalen Holztischen stehen grüne Servietten. Messer und Gabel liegen bereit für die Gäste, die gleich kommen werden. „Heute ist Schnitzeltag“, sagt Doris Mühlebrock. Nachmittags um vier trudeln die ersten Gäste ein. Doris Mühlenbrock zapft ein erstes Pils und begrüßt jeden Besucher mit seinem Vornamen. Selbst Mischling Benny bekommt eine Krauleinheit und ein Wässerchen, bevor er es sich bequem macht neben seinem Herrchen an der langen Holztheke.

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Seit 1961 hat die Familie Mühlenbrock den Bülsern den Hof betrieben. Inzwischen in der zweiten Generation. Vor knapp 40 Jahren hat Wolfgang Mühlenbrock mit seiner Frau Doris die Traditionskneipe an der Taubenstraße von seinen Eltern übernommen. Doch Ende des Monats ist Schluss. Dann schließt die letzte von ehemals sechs Gaststätten im Stadtteil.

„Die Zeiten haben sich verändert“, sagt Wolfgang Mühlenbrock. War es früher nicht schwer, die Gaststätte mit ihren 120 Sitzplätzen zu füllen, so bleibt die Besucherzahl in den letzten Jahren eher überschaubar. „Heute könnten wir von der Gaststätte nicht mehr leben“, berichtet Doris Mühlenbrock.

Nachbarn gehen lieber in Systemgaststätten

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Zuweilen treffen sich die Eltern der benachbarten Schule zu ihren Diskussionsrunden im Bülser Hof, regelmäßig laden Parteien die Bürger zum Stammtisch und einmal jährlich kommen die Mitglieder des BSV Buer-Bülse zur Jahreshauptversammlung. Die Nachbarn, die in den letzten Jahren in die etwa 40 schmucken Einfamilienhäuser im Umfeld gezogen sind, lassen sich an der Theke nicht blicken. „Sie verbringen ihre Abende in ihren Gärten und Wohnzimmern“, weiß Doris Mühlenbrock. „Oder fahren in die Stadt in die neuen Systemgaststätten“, ergänzt ihr Mann Wolfgang. Mobilität wird auch in Bülse zum Killer einer Alltagskultur.

Kaum Gäste an der Theke. Der Bülser Hof wird zum Opfer des Kneipensterbens.
Kaum Gäste an der Theke. Der Bülser Hof wird zum Opfer des Kneipensterbens. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Der Stammtisch ist nicht nur in Bülse vom Aussterben bedroht. Seit 2008 der Aschenbecher aus dem Schankraum verbannt wurde, ist auch das Geschäft bei den Mühlenbrocks rückläufig. Dazu kommt, dass Kegeln nicht gerade als Trendsport bei jungen Menschen hoch im Kurs steht und sich die Schützen häufiger im eigenen Vereinsheim als in der Kneipe treffen.

„In den 80er Jahren konnten wir uns die Kegelclubs aussuchen, die unsere Bahnen benutzen durften, heute sind die verbliebenen Mitglieder so alt, dass sie nur noch selten die Kugel schwingen“, berichtet Wolfgang Mühlenbrock. „Wir haben einen Damenclub, der hat 1961 hier begonnen zu kegeln“, erzählt seine Frau. Heute kommen die Mädels, die zusammen mehrere Hundert Jahre zählen, immer noch. Und plauschen statt zu sporteln.

Der Wirt bediente einst als König

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Die Zeiten, in denen zwei Gesellschaften von zwei fest angestellten Köchen parallel bewirtet wurden, sind lange vorbei. Die Erinnerung an die Ritteressen, „bei denen die Gäste uns die Bude eingerannt haben“, zaubert Wolfgang Mühlenbrock noch heute ein Lächeln ins Gesicht. Auch an die 90er Jahre erinnert sich der 71-jährige Wirt gerne. 1990 schoss er sich zum König von Bülse und bediente fortan unter dem Motto „Heute mal ein König“ seine zahlreichen Gäste.

Abschiedsfest am 31. August

Am Samstag, 31. August laden Doris und Wolfgang Mühlenbrock zum letzten Sommerfest in den Bülser Hof an der Taubenstraße 108. Los geht es um 18 Uhr.

Es wird gegrillt und im Hof bauen wir einen Bierwagen auf“, sagt Doris Mühlenbrock. Zudem hat das Wirtepaar einen DJ engagiert, der für die Tanzmusik sorgen wird.

Inzwischen reden einige Stammgäste auf der kleinen Terrasse Tacheles. Berliner Politik, Stadtgeschehen, die Nachbarn — die Themen wechseln im rasanten Tempo. „Ja, doch“, sagt einer, „die Mühlenbrocks werden uns fehlen, wenn sie Ende August ihren Bülser Hof ein letztes Mal abschließen.“ Und wie zum Beweis dieser engen Verbundenheit zwischen Gast und Gastwirt überreicht ein weiterer Stammgast seiner Doris einen dicken Blumenstrauß. Eine kleine Aufmerksamkeit zum 77. Geburtstag.