Gelsenkirchen-Ückendorf. Die kleine Kneipe um die Ecke als Treffpunkt für den ganzen Stadtteil: „Die Kanne“ in Gelsenkirchen-Ückendorf ist so eine Gaststätte. Ein Besuch.
„Unsere Rosi ist eine der besten Köchinnen in ganz Gelsenkirchen“ schwärmt Hannelore Felzer (72) auf die Frage nach dem Mittagstisch in der „Kanne“. „Sonntag Spanferkelrolle mit Kohlrabi, Kartoffeln und Dessert 11,50 Euro“ steht auf der schwarzen Tafel an der Wand. Hannelore Felzer sitzt an einem der drei Außentische der kleinen Gaststätte, gemeinsam mit Freunden. Mittwoch ist Markt hier am Schulte-im-Hofe-Platz, und da ist die „Kanne“ der Treffpunkt für Ückendorfer schlechthin. Und ein Frühstück zu sechs Euro gönnen sich die meisten hier gern zum nachbarschaftlichen Plausch.
Rosi Sain (69) und ihr Sohn Bernd Koslowski führen die „Kanne“ seit 2015, die Schwiegertochter hilft auch. Geöffnet ist dienstags bis sonntags, mittags und abends – „mal bis 23 Uhr, mal bis vier Uhr, das kommt ganz drauf an“, lacht Rosi. Mittwochs morgens sei Kaffee sehr gefragt, aber „sonst steht schon Pils im Vordergrund“.
An der Nahversorgung hapert es schon lange
Hannelore Felzer sitzt mit Hannelore (60) und Werner (63) Trentowsky und Karin Stölting (73) am Tisch. Sie reden über Gott, die Welt und Ückendorf, ihren Stadtteil. Das Quartett fühlt sich wohl im Quartier, aber die Nahversorgung macht ihnen Sorgen. Die zum Jahresende 2018 geschlossene Sparkassenfiliale war der letzte Schlag, einen Drogeriemarkt vermissen sie schon seit der Schlecker-Schließung, und auch der kleine Einzelhändler neben der Gaststätte fehlt, auch eine erreichbare Poststelle wäre eine Erleichterung. Die Nahversorgung ist Thema bei allen Gästen hier.
Hoffen auf eine Wiederauflage des Ückendorfer Weihnachtsmarktes
Am Tresen sitzt Günter Dilba (79) in seinem Rollstuhl bei einem alkoholfreien Bier. Er ist hier aufgewachsen und im Alter zurückgekehrt, kennt hier „jedes Schlüsselloch“. Die Kanne als Treffpunkt nebenan weiß er sehr zu schätzen – seine Frau Christa auch, die unterdessen einkaufen ist. Was sie vermisst: Den Ückendorfer Weihnachtsmarkt, der früher an einem Adventssonntag im Stadtteil lief. Den könnte man doch jetzt auf dem Marktplatz durchführen, schlägt sie vor.
Die Maikönigin ist zarte 83 Jahre jung
Inge Sobolewski (83) treffen wir auf dem Rückweg vom Marktstand mit den hübschen Sommerkleidern zu ihrem Tisch im Schankraum der „Kanne“. Schickes Kleid, Perlohrringe und -kette, perfekt frisiertes Silberhaar, gerader Rücken, leichter Gang, strahlendes Lächeln: „Ich lebe schon mein ganzes Leben hier, und zwar gerne“, betont sie. Obwohl auch sie die gute Nahversorgung von früher vermisst. „Aber die ‘Kanne’ ist wirklich ein toller Treffpunkt für uns hier“, schwärmt sie schon wieder. „Sie ist in diesem Jahr übrigens unsere Maikönigin“, schaltet sich Wirtin Rosi ein. Inge Sobolewski erinnert sich unübersehbar gerne an die Kür durch den „Maikäfer“, der sie aus einer Gruppe tanzender Frauen auswählte.
Idealer Treffpunkt zwischen Haverkamp und Wattenscheid
Ganz außen am Tisch sitzen zwei Paare, die sich „erst“ seit gut zehn Jahren regelmäßig hier treffen, meist allerdings sind es nur die Männer. Dieter Armborst (75) kommt mit dem Rad vom Haverkamp her, Dieter Kreyßig (72) reist aus Wattenscheid-Westenfeld an. Die Männer kennen sich seit 40 Jahren und haben nun im Ruhestand diesen Platz als idealen Treffpunkt ausgemacht. Mittwochs von 9.30 bis 11.30 Uhr plaudern sie hier bei einem Pils. Dieter Armborst erinnert sich: „Wir haben schon drei Pächter hier in der ‘Kanne’ erlebt. Aber wir kommen immer wieder.“