Pont. . Gaststätten auf dem Land sterben aus, der Trend ist eindeutig. Es geht auch anders. Zu Besuch in der letzten Kneipe im Geldener Stadtteil Pont.

Die Kneipe – Jahrzehnte war sie Treffpunkt und soziales Bindeglied. Insbesondere in Dörfern war sie – ähnlich wie der Marktplatz – zentraler Ort der Kommunikation. Doch ihre Zeit scheint abzulaufen. Nicht nur, aber gerade auf dem Dorf. Auch Pont hat es getroffen. In dem Ortsteil von Geldern im Kreis Kleve zogen sich Ende 2014 die Betreiber der letzten Kneipe, „Zum Lünebörger“, zurück. Nachfolger gab es nicht.

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Aber ein paar Ponter wollten auf den „Lünebörger“ nicht verzichten – und führen die Gastronomie seitdem in ihrer Freizeit. „Wir haben uns drei Monate gegeben“, erinnert sich Hein Lemmen vom Heimat- und Förderverein an die anfängliche Skepsis. Auch wenn Lemmen und seine Mitstreiter ihr Vorhaben durchaus ernst nahmen, entsprang die Idee eher einer Kirmeslaune, wie er selber es ausdrückt.

Druck gab es jedenfalls nicht, weder finanzieller noch privater Natur. „Wir müssen keinen Gewinn erwirtschaften, keine Gehälter und auch keine Miete zahlen“, nennt der Rentner die wichtigsten Voraussetzungen für das Engagement. Der Besitzer des Gebäudes unterstützt die Initiative und überlässt die Räume gegen Zahlung der Nebenkosten. Das lief zunächst per Handschlag, erst nach einem Jahr gab es einen Pachtvertrag. Man kennt sich in Pont.

Auswirkungen des Kneipensterbens auf dem Land viel stärker

So frei von Verpflichtungen sind Gastronomen meist nicht. Es ist zunehmend schwer, mit dem Betrieb einer Kneipe den Lebensunterhalt zu bestreiten.

12.813 „Schankwirtschaften“ haben in Nordrhein-Westfalen zwischen 1994 und 2015 dicht gemacht – ein Rückgang um 60 Prozent. Das geht aus einer Erhebung des Statistik-Dienstleisters IT-NRW hervor.

Das Kneipensterben ist kein ländliches Phänomen. Auch Großstädte sind betroffen. „Auf dem Dorf gibt es aber häufig nur eine Kneipe. Macht sie zu, bleiben keine Alternativen. Die Auswirkungen sind deshalb auf dem Land viel stärker“, sagt NRW-Pressesprecher Thorsten Hellwig vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga).

Neue NRZ-Serie "Unser Dorf"

Los geht's!

Mit dem Interview mit Heimatministerien Ina Scharrenbach startet die NRZ heute die neue Serie „Unser Dorf“.

Die Idee

Wir stellen Initiativen von Menschen  vor, die das Leben fernab der Städte attraktiv halten. Wir gucken uns vor Ort um, beobachten und fragen die Menschen danach,  was sie bewegt. Wir stellen eine Dorfkneipeninitiative vor.

Zu Besuch im Dorfladen

Wir berichten aus einem „Dorf in der Großstadt“. Wir wollen einen Landarzt begleiten und besuchen einen Dorfladen, der die Nahversorgung der Bewohner sicherstellt.

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Die Zahl der Restaurants bleibt dagegen relativ konstant. Das beobachtet Hein Lemmen auch in Pont: „Die Restaurants hier im Ort laufen gut. Bei einem muss man Tage vorher reservieren, um am Wochenende überhaupt einen Tisch zu bekommen.“ Woran das liegt? „Ich glaube, dass die Leute sich heutzutage lieber zum Essen treffen statt nur auf ein Bier.“

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Dehoga-Sprecher Hellwig bestätigt ihn nur teilweise: „Es geht nicht unbedingt ums Essen. Aber die Leute wollen etwas geboten bekommen. Die Eventisierung des Lebens schlägt sich auch in der Gastronomie nieder. Die klassische Kombination aus Bier, Zigarette und Gespräch funktioniert nicht mehr.“ Gastronomie müsse sich den individuellen Bedürfnissen anpassen. Wie die im Einzelnen aussähen, ob Kneipenquiz, Fußballübertragung oder ausgefallene Biersorten, sei von Ort zu Ort verschieden, so Hellwig.

Am Tag in der Praxis, am Abend hinter der Theke

Im „Lünebörger“ bieten sie Gästen den gewohnten Raum für ihr Thekenbier – ganz ohne Event. Und wenn am Abend nur zwei Gäste kommen. Trotzdem sind es oft mehr, gerade an den Wochenenden. Die Kegelbahn wird viel gebucht, Jäger kehren gerne nach der Jagd ein. Außerdem kann man den „Lünebörger“ für private Feiern mieten. Dennoch: „Rein wirtschaftlich macht es natürlich keinen Sinn“, sagt Lemmen.

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Insgesamt elf Ponter helfen im „Lünebörger“ mit. So wie Rentner Walter Ophey, der sich sehr engagiert. Oder Sarah Lax, die mit 32 Jahren die Jüngste im Team ist. Lax arbeitet tagsüber in einer Zahnarztpraxis. An manchen Abenden bedient sie in der Kneipe. „Ich habe in meiner Elternzeit angefangen. Mir fiel die Decke auf den Kopf, da habe ich einen Ausgleich gesucht“, erzählt sie. Im „Lünebörger“ fand sie einen Tapetenwechsel, und genießt ihn auch nach der Rückkehr in den Beruf.

Wer regelmäßig in den „Lünebörger“ kommt, findet hier auch ein Stück Vertrautheit. „Es gibt Stammgäste, die sehe ich durchs Fenster und weiß, dass ich schon mal ein Bier zapfen und einen Els einschenken kann“, erzählt Lax. Vielleicht ist den Pontern diese Vertrautheit wichtiger als das Event. Und solange sie sich in ihrer Kneipe wohlfühlen, bleiben wirtschaftliche Überlegungen im Hintergrund. Schluss soll jedenfalls noch lange nicht sein. Schließlich haben erst vor vier Jahren alle mit angepackt und den „Lünebörger“ von Grund auf renoviert.