Gelsenkirchen-Buer. . Propst Markus Pottbäcker aus Buer verfügt über eine sehenswerte Sammlung von Kruzifixen. Sie reicht vom Familienerbstück bis zur Bastelei.

Eine Seele besitzen leblose Dinge nicht, sollte man meinen. Und doch, wer das rund 100 Jahre alte Verseh-Kreuz aus angelaufenem Messing betrachtet, das einst zur Grundausstattung eines Priesters bei „letzten Ölungen“ gehörte, der fragt sich unweigerlich: Was würde es erzählen, wenn es sprechen könnte? „Viele, viele Geschichten“, meint Propst Markus Pottbäcker.

Jede Menge erlebt haben sicher auch die übrigen 20 Kruzifixe, die in seinem Büro in guter Nachbarschaft zum überquellenden Bücherregal liegen, hängen und stehen. Schließlich wissen Freunde und Wegbegleiter seit Jahren: Der Leiter der Pfarreien St. Urbanus und St. Augustinus sammelt Kreuze aus aller Herren Länder – Mitbringsel von Reisen ebenso wie herrenlose Christus-Symbole von Gläubigen, die die Wohnung ihrer Eltern auflösen und sich nicht trauen, die Darstellungen in den Müll zu werfen.

Ein ganzer Fundus mit Kreuzen

„Ich habe einen ganzen Fundus davon und gebe auch immer wieder gerne welche ab, wenn jemand eines haben will“, berichtet der 52-Jährige und öffnet eine transparente Plastiktüte mit Metall-Plaketten von Christophorus-Darstellungen und kleinen Kruzifixen. Während diese im Schreibtisch schlummern, sind Exemplare wie das rund 30 Zentimeter große Verseh-Kreuz mitten im Raum ausgestellt.

Das Symbol des Christentums

Das Kreuz gilt als Symbol des Christentums, denn laut Neuem Testament wurde Jesus Christus an einem Holzkreuz hingerichtet.

Der waagerechte Balken steht für die Verbindung mit dem Irdischen, der senkrechte für das Himmlische, Göttliche.

Einerseits wird das Kreuz als Zeichen für den Tod verstanden, andererseits aber auch als Symbol für den Sieg über den Tod, weshalb es auf Gräbern zu finden ist.

„Ich habe es als Kaplan in Oberhausen geschenkt bekommen. Es war ein Familienerbstück“, sagt Pottbäcker und öffnet vorsichtig einen kleinen Behälter, in dem das Krankenöl transportiert wurde. Eine zweite Box war vorgesehen für die geweihte Hostie. „Der Priester trug das Kreuz damals an einer Kette um den Hals, wenn er zu Sterbenden zur Krankensalbung gerufen wurde.“

Aus Stroh und aus Hufnägeln

Deutlich unbeschwerter, fast improvisiert wirkt dagegen das Strohkreuz „wohl aus Lateinamerika oder Afrika“, das ihm Servitenpater Silvo schenkte, der bis Ende 2018 Pastor in St. Mariä Himmelfahrt war und nun als Provinzial und Pfarrer das Kärntner Kloster Maria Luggau leitet. Auch mit einem handtellergroßen Kruzifix aus Hufnägeln verbindet der Propst das Gesicht eines Weggefährten. „Ein junger Mann aus der katholischen Jugendarbeit in Duisburg, den ich zum geistlichen Leiter ausgebildet habe, hat es angefertigt.“ Zum Kreuz taugen also alle Materialien – wie es auch in allen Alltagssituationen berührt und im Gebet angesehen wird.

Ein Kreuz aus einer Astgabel.
Ein Kreuz aus einer Astgabel.

Für eine intensive Zeit kurz vor der Priesterweihe vor 25 Jahren steht unterdessen eine hölzerne Astgabel mit einer Christus-Figur aus Ton, deren Gesicht von Leid und Schmerz gezeichnet ist. „Ein solches aus Lateinamerika stammendes Kreuz haben alle Anwärter von der Ordensschwester bekommen, die uns begleitet hat.“

Technik der Kontemplation

Sehr viel schlichter kommt ein Holzkruzifix mit gerundetem Hochbalken und der Aufschrift „Shalom“ (Frieden) daher, hinter dem sich eine tragische Familiengeschichte verbirgt. „Das hat ein Vater aus meiner alten Gemeinde in Essen-Steele-Horst gestaltet, dessen Sohn nach einem Sportunfall in der Schule gestorben ist. Er hat das Wort ,Shalom’ in der Handschrift seines Sohnes auf den Querbalken übertragen.“ Ein Kreuz also, das die Erinnerung ebenso wachhält wie den Versuch dokumentiert, mit einem schweren Verlust leben zu lernen – mit Hilfe des Glaubens.

Ein Kreuz mit Schriftzug.
Ein Kreuz mit Schriftzug.

Für die Begegnung mit der Zen-Meditation steht derweil ein getöpfertes Kreuz mit Kreisen in der Mitte, das das Logo des Duisburger Vereins „Leben aus der Mitte“ aufgreift. „Ich habe viele Jahre diese Technik der Kontemplation praktiziert, die auch im Bistum gelehrt wird“, berichtet Pottbäcker und greift dann nach einem grauen Kieselstein, dessen helle Maserung an Kreuze erinnert. „Den hat mir mein Neffe von einer Reise mitgebracht.“

Ein Geschenk zum Abschied

Und dann ist es schließlich ein Abschiedsgeschenk von Paula, einem Mädchen aus seiner früheren Steeler Gemeinde, das ihn erneut zum Schmunzeln bringt.

Ein Kreuz aus Pappstreifen.
Ein Kreuz aus Pappstreifen.

Zwei Pappstreifen hatte die Kleine als Abschiedsgeschenk zusammengeklebt und mit grünem Filzstift Jesus aufgezeichnet: leicht krakelig, mit viel zu großem runden Kopf und schiefem Lächeln im Gesicht. „Von Paula“ steht auf der Rückseite. Das Kreuz zu feiern als christliches Symbol der Hoffnung auf Auferstehung – mit dieser Bastelarbeit scheint es gar nicht so schwer.