Gelsenkirchen-Buer. . Verzögerungen beim Umbau der Horster Straße in Gelsenkirchen machen Ralf Schüler mürbe. Was er zum Vorwurf „selbst gewähltes Schicksal“ sagt.
Die Baustelle direkt vor den Türen ihres Geschäfts ist für Kirsten und Ralf Schüler längst mehr als nur ein Ärgernis. Ihr Rewe-Markt an der Horster Straße 212 hat schon lange mit den Folgen der nicht enden wollenden Straßensanierung zu kämpfen – so sehr, dass sich die Schülers am Samstag gezwungen sahen, einen Hilferuf via Anzeige in der WAZ abzusetzen. „Wir kämpfen um unsere Existenz“ war da in großen Lettern zu lesen. Die WAZ-Redakteure Steffen Gaux und Angelika Wölke sprachen am Donnerstag mit Ralf Schüler.
Was läuft Ihrer Meinung nach bei der Baustelle vor ihrer Tür schief? Wo liegt das Problem konkret?
Ralf Schüler: Wir wollen jetzt keine Schuldzuweisungen machen. Aber meine Frau und ich bemängeln die Dauer der Baustelle: das ewige Verschieben, diese ewigen Verlängerungen – das ist das, was uns mürbe macht.
Parteien melden sich bei Schüler und der Rewe
Die Situation an der Horster Straße hält Rewe-Geschäftsbereichsleiter Florian Sörensen für außergewöhnlich. Der Mann, der Rewe-Märkte im gesamten Ruhrgebiet betreut, hat eine Baustelle dieses Ausmaßes mit all ihren Verzögerungen „noch nicht erlebt“. Daher habe die Rewe Dortmund sich auch entschlossen, die Familie Schüler zu unterstützen.
Nach der Anzeige in der WAZ am letzten Samstag haben sich zwischenzeitlich Vertreter fast aller Parteien bei Schüler und der Rewe gemeldet. „Die Gesprächsangebote finden wir gut und wir werden sie auch annehmen“, sagt Sörensen. Er hofft auf konstruktive Lösungen. „Wir werden die Parteien an den Ergebnissen messen.“
Wir haben uns gerade gefragt, ob dort überhaupt gearbeitet wird. Da laufen an einem Donnerstag um 10 Uhr lediglich zwei Bauarbeiter rum. Haben Sie den Eindruck, dass dort mit Hochdruck gearbeitet wird?
Das glaube ich nicht. Ich weiß natürlich nicht, ob die jetzt nicht gerade eine Baubesprechung haben. Ich versuche ja auch immer, Verständnis dafür aufzubringen. Aber normalerweise ist das viel zu wenig. Ich stehe oft vor meinem Laden und frage mich: Was machen die da eigentlich? Wo sind die Leute? Wobei der Vorwurf nicht an die Bauarbeiter vor Ort geht.
Die Stadt sagt: Man muss Straßenbauarbeiten zum Wohl der Allgemeinheit hinnehmen. Wie stehen Sie dazu?
Natürlich. So eine Sanierung – das muss gemacht werden. Kopfsteinpflaster ist nichts mehr fürs 21. Jahrhundert. Da stehen wir auch vollkommen hinter. Zehn Jahre sind angesetzt worden für die komplette Horster Straße. Man hätte jeden dieser Teilabschnitte ja auch mit zwei Baufirmen machen können: Eine hätte von unten nach oben, die andere von oben nach unten gearbeitet. Aber so wird das nur ausgetragen auf dem Rücken der hier Lebenden und der hier Gewerbetreibenden.
2016 ist Ihnen ja schon aufgefallen: Das läuft hier irgendwie schief. Sie haben damals einen Brief an Oberbürgermeister Frank Baranowski geschickt. Wie hat er reagiert?
Er hat geschrieben, dass das Allgemeinwohl vorgeht. Darauf beruft sich die Stadt. Aber letztes Jahr im August wurde dann die Lohmühlenstraße gesperrt, weil sich Anwohner beschwert hatten: Es würde zu viel Verkehr dort und über die Talstraße fließen.
Das ist die Abkürzung zwischen der Emil-Zimmermann-Allee und der Horster Straße.
Genau. So kommt man trotz der Einbahnstraßenregelung auf der Horster Straße schneller zurück nach Beckhausen. Aber diese Abkürzung ist am 5. August 2017 gesperrt worden und ist heute noch zu. Und dort ist das Allgemeinwohl nicht in den Vordergrund gestellt worden. Da beruft man sich auf Einzelne, die sich dagegen gewehrt haben.
Erklären Sie mal genauer, was die Lohmühlenstraße mit Ihrem Geschäft zu tun hat?
Wir verlieren dadurch Kunden, die aus Beckhausen und Schaffrath kommen. Wer von unserem Rewe-Parkplatz Richtung Süden will, muss links abbiegen, bis zur Vinckestraße hoch, über die Kurt-Schumacher-Straße wieder runter und dann über die Emil-Zimmermann-Allee zurück. Das ist eine Riesen-Schleife.
Sie haben 2016 Ihr Ladenlokal gewechselt, sind von der Horster Straße 180 zur Nummer 212 gezogen, vom vierten in den fünften Bauabschnitt. Stadtbaurat Martin Harter sagt, Ihre Situation sei deshalb zum Teil „selbst gewähltes Schicksal“.
Ich finde das ein bisschen vermessen. Fakt ist: Der Mietvertrag am alten Standort lief aus. Wir mussten ausziehen. Wir hatten zwei Optionen: Entweder wir gehen mit 45 Leuten zum Arbeitsamt und sagen: Wir hören auf. Oder wir beschäftigen weiter, weil wir an dem Standort festhalten wollen. Wir haben im alten Geschäft gute Umsätze gemacht, als die Baustelle noch nicht da war.
Aber Ihnen war 2016 schon bewusst, dass Sie in den nächsten Bauabschnitt ziehen?
Ja. Wir hatten mit der Baustelle bis Ende 2018 geplant. Natürlich haben wir auch einen Notgroschen beiseite gelegt. Aber da sich das hier immer wieder verzögert, sind die Notgroschen irgendwann aufgebraucht.
Andere Einzelhändler sprachen von 30 Prozent Umsatzeinbruch. Können Sie diese Zahl bestätigen?
Die könnte ich mit abnicken, ja.
Sie hatten 2010 auch Baustellen-Probleme in Ihrem anderen Markt auf der Domplatte.
Als wir dort eingezogen sind, sollte die Domplatte fertiggestellt sein. Aber wir haben dann 15 Monate auf der Baustelle gearbeitet. Und irgendwann hat man die Faxen dann mal dicke.
Kommen Sie da nicht zu dem Punkt, dass das ein Problem in dieser Verwaltung ist?
Irgendwo muss es dran hängen. Wir können es jetzt nicht nur aufs Wetter schieben. Wir haben seit Mai tolles Wetter. Herr Harter sagt, man hätte auch samstags und sonntags arbeiten lassen. Ich sage: Von den über 150 Sonntagen in drei Jahren waren das fünf bis sieben. Ist das erwähnenswert?
Wie war das an dem Wochenende 7./8. Juli, als die Horster Straße vor Ihrer Tür voll gesperrt war?
Da konnten nur Leute zu Fuß hier hin kommen. Das hat richtig Geld gekostet. Wir waren am Samstag dann noch hier. Um 18 Uhr wurden die Bauarbeiten eingestellt. Dafür wird die Straße dann gesperrt? Muss dann nicht Tag und Nacht gearbeitet werden?
Die Situation, in der Sie jetzt stecken: Sehen Sie eventuell auch Fehler in Ihrem Konzept? Der Trend geht seit Jahren zu einer Art Erlebniseinkaufswelt. Am Wochenende trifft man viele Bueraner bei Zurheide in Gladbeck oder im neuen Edeka auf Fürst Leopold in Dorsten.
Der Erlebniseinkauf muss an die Größe angepasst sein. Wir haben hier eine Grillstation im Eingangsbereich – mit Tisch. Auf den 1700 Quadratmetern am Dom haben wir ein Bistro.
Aber ist es trotzdem Ihre Sorge, dass die Kunden, die Ihnen jetzt baustellenbedingt vorübergehend den Rücken kehren, dann endgültig wegbleiben, weil sie jetzt woanders gut einkaufen?
Es wird auf jeden Fall schwierig werden, dass alles wieder zurückzuholen. Das wird wie eine Neueröffnung werden, wenn die Baustelle mal weg ist. Trotzdem danken wir den Kunden, die uns die Treue gehalten haben.