Gelsenkirchen-Buer. . Kaufleute an der Horster Straße in Buer beklagen Umsatzeinbußen. Sie kritisieren die Bau-Verzögerungen und die fehlende Unterstützung der Stadt.
„Auf nach Buer zur Kauf-Kultur“ – mit dem Slogan an der Straßenbahn 301 wollte die Bogestra 2013 die Einzelhändler an der Horster Straße unterstützen. Wollte Kunden nicht nur durch die Baustelle Horster Straße fahren, sondern sie auch zum Einkauf animieren. Genutzt hat es nicht viel. Denn die Kaufleute haben gelitten, mussten finanzielle Einbußen hinnehmen, haben noch heute zu kämpfen.
Jüngstes Beispiel: Am Wochenende hat Ralf Schüler, der einen Rewe-Markt in der aktuellen Baustelle betreibt, Alarm geschlagen. „Wir kämpfen um unsere Existenz“ lautete die Überschrift einer halbseitigen Anzeige, die er in der WAZ schaltete.
Von den Kunden abgeschnitten
Seit knapp vier Jahren ist Schüler durch die Großbaustelle zum Teil von seinen Kunden abgeschnitten. „Das macht sich gravierend am Umsatz bemerkbar“ klagte er im Dezember gegenüber der WAZ. Hielt er sich damals verbal noch zurück, sieht er sich jetzt zum Hilferuf gezwungen.
Schüler spricht am Donnerstag mit der WAZ
„Jetzt haben wir zum ersten Mal Angst um unsere Existenz“, sagt Ralf Schüler im Text der Anzeige, die am Samstag im WAZ-Lokalteil zu sehen war. Die Situation sei „einfach katastrophal“.
Gerne hätte die WAZ für ihre heutige Berichterstattung mit Schüler gesprochen. Er und Rewe Dortmund wollen sich allerdings nur gemeinsam gegenüber der Presse äußern. Das werden sie am Donnerstag tun. Die WAZ wird also weiter über den Fall berichten.
Schüler ist nicht der einzige, der leidet. „Würde uns das Haus, in dem sich unser Geschäft befindet, nicht gehören, hätten wir den Umbau nicht überlebt“, sagt Susanne Polte, Inhaberin des Haushaltswarengeschäfts Leifeld. Im Bereich der Kulturmeile, wo die Baustelle 2012 ihren Anfang nahm, hatten die Einzelhändler sogar eine Interessengemeinschaft „gegen das Chaos auf der Horster Straße“ gegründet. Sie forderten Unterstützung von der Stadt – für Baustellenpartys, Aktionstage und zusätzliche Werbung.
„Nicht den billigsten Anbieter nehmen“
„Was wir bekommen haben, war ernüchternd“, berichtet Susanne Polte. Die Stadt habe den Kaufleuten für ein halbes Jahr die Gebühren von 80 Euro im Monat für das Herausstellen von Werbeträgern erlassen. Das war’s.
Susanne Polte kritisiert, genau wie die anderen Anwohner, die permanenten Verzögerungen, die sich an der Baustelle ergeben haben. „Die Arbeiter waren lieb und nett, die Arbeit war aber nicht strukturiert“, sagt sie. Und appelliert, nicht immer den billigsten Anbieter zu nehmen. Der mache, wie wiederholt erlebt, auch zwischendurch schon mal Pleite. Eine neue Firma zu finden, dauert dann wieder. „Wenn Leute kommen, denen es nicht egal ist, ob sie einen Nachfolgeauftrag bekommen, arbeiten sie schneller“, ist sie überzeugt.
„Baustelle ist geschäftsschädigend“
„Diese Baustelle ist geschäftsschädigend“, schimpf auch Dirk Kamphuis, Geschäftsführer bei Jack Wolfskin. „Hätten wir das Ladenlokal an der Horster Straße nicht aufgegeben und wären zum Urbanus-Platz gewechselt, wären wir heute pleite“, ist er überzeugt.
Sein ehemaliger Laden an der Horster Straße steht übrigens seit seinem Auszug vor fünf Jahren leer. „Und vergammelt“, sagt Susanne Polte. Sie würde dort sogar putzen und die Schaufenster nett dekorieren, damit es schön aussieht – aber der Hausbesitzer reagiert bisher nicht auf ihre Anfragen.
Noch wütender ist Brigitte Neukirchen. Sie hat ihr Raumausstatter-Unternehmen schweren Herzens liquidiert und die Stadt Gelsenkirchen verklagt. Anfang September werden die Richter des Oberlandesgerichts Hamm sich mit dem Fall Horster Straße befassen.
Stadtbaurat: Schüler ist den Bauarbeiten gefolgt
„Diese Baustelle dauert schon sehr lange. Das ist mir bewusst.“ Stadtbaurat Martin Harter kann die Sorgen, die Rewe Schüler plagen, nachvollziehen. Eine Lösung hat er indes nicht: „Aus unserer Sicht lässt sich das nicht vermeiden. Die Renovierung der Horster Straße war alternativlos.“
Zum Teil sei Schülers Situation auch „selbst gewähltes Schicksal“. „Es war seine unternehmerische Entscheidung, den Standort zu wechseln. Er ist vom vierten in den fünften Bauabschnitt gezogen.“ Somit sei er der Baustelle quasi gefolgt.
Stadt betont, sie habe die Erreichbarkeit des Markt sichergestellt
Laut Harter habe die Stadt alles getan, was sie beeinflussen kann. „Wir haben dafür gesorgt, dass dort auch samstags und sonntags gearbeitet wird.“ Und: Die Stadt habe stets die Erreichbarkeit des Markts sichergestellt. „Der Komfort der Erreichbarkeit ist allerdings veränderbar.“
Lediglich am Wochenende 7./8. Juli sei für Gleisarbeiten eine Vollsperrung nötig gewesen. Da müsste man schauen, ob und wie Schüler hier Ersatzansprüche geltend machen könne. Ansonsten gilt für Harter: „Wir sind da nicht verantwortlich zu machen.“
Eine Lösung für die Probleme der Händler hat auch Axel Barton (SPD) nicht. „Wir teilen die Sorgen von Herrn Schüler“, sagt er – wohl wissend, dass der sich davon wenig kaufen kann. „Natürlich soll keiner entlassen werden“, so Barton. Er kenne aber Leute, die nähmen Umwege in Kauf, um zu Schüler zu kommen. Deshalb sollte man immer wieder appellieren: „Die Kunden sollten dem Markt trotz der Schwierigkeiten die Treue halten.“
CDU will nun aktiv werden
Betroffenen Einzelhändlern mit einem (anteiligen) Verzicht auf die Gewerbesteuer entgegenzukommen, sieht Barton kritisch. „Das hört sich gut an. Aber wer will denn wie nachweisen, dass Umsatzrückgänge voll umfänglich einer Baustelle zuzuschreiben sind?“
Die CDU will nach dem Hilfeschrei des Rewe-Markts nun aktiv werden. „Die klare Schilderung der Lage nimmt jedem jede Skepsis“, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christina Totzeck. „Was sich offenbar vor Ort abspielt muss zum Thema von Gremien der Stadt werden.“ Entsprechende Anträge auf „Befassung mit dem Thema in verschiedenen Gremien“ sollten noch am Montag gestellt werden. Totzeck: „Wir sagen: bauen ja – Existenzgefährdung nein!“