Essen. Immer mehr Hunde bleiben länger im Tierheim Essen – es handelt sich um „Problemfälle“. Besserung sei nicht in Sicht. Was die Einrichtung fordert.

Im Tierheim Essen sitzen viele Hunde – und Besserung ist nicht in Sicht. Derzeit seien mehr als 60 Tiere in der Einrichtung, berichtet Leiterin Jeanette Gudd kürzlich. Das zunehmende Problem: „Die Problemfälle bleiben länger hier.“ Und deswegen gibt es immer mehr von ihnen. Ein Teufelskreis. Warum ist das so?

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Gudd erklärt das mit den Folgen der Pandemie: Viele Menschen hätten sich in der Zeit von Lockdowns und Langeweile offenbar Tiere angeschafft. Vor allem Hunde standen hoch im Kurs. Nach dem Auslaufen der Maßnahmen und einem wieder stärker getakteten Alltag scheinen viele mit ihren tierischen Neuanschaffungen überfordert zu sein. Gudd: „So langsam brechen wir unter der Last zusammen. Es ist zuletzt extrem geworden.“

Tierheim Essen: „So langsam brechen wir unter der Last zusammen“

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Und so kommt es, dass die Chefin des Essener Tierheims in den langen Ferien Folgendes zu Protokoll gibt: „Wir bekommen in diesem Sommer erstmalig Anfragen, ob wir Tiere nicht wie in einer Pension aufnehmen können.“ Nein, lautet dann die Antwort. Denn das ist definitiv nicht die Aufgabe der Einrichtung an der Grillostraße. „Wir fangen für Kommunen Tiere ohne Ende auf“, sagt sie. Da könne man nicht noch Kindergarten spielen.

Jeanette Gudd, Leiterin des Essener Tierheims: „So langsam brechen wir unter der Last zusammen. Es ist zuletzt extrem geworden.“
Jeanette Gudd, Leiterin des Essener Tierheims: „So langsam brechen wir unter der Last zusammen. Es ist zuletzt extrem geworden.“ © FUNKE Foto Services | Linda Sonnenberg

Gudd nervt, dass sich Menschen Tiere anschaffen, ohne zu wissen, auf was sie sich da einlassen. Stichwort „Problemfälle“. „Da gibt es Leute“, berichtet sie, „die haben sich einen Weimaraner geholt“. „Der hat so eine tolle Farbe“, heißt es dann. Dabei seien Weimaraner früher nur an Jäger abgegeben worden. „Oder nehmen wir einen Australian Sheppard: Das Tier will hüten. Und wenn so ein Hund im Garten beim Spielen dann einem Kind ins Bein zwickt, dann ist das Geschrei groß und die Tiere werden abgegeben.“ Und landen in Einrichtungen wie ihrer. Landauf, landab berichten Tierheime von der gestiegenen Belastung.

Französischen Bulldoggen sind auf Instagram hoch im Kurs

Illusionen machten sich einige bei der Anschaffung von Französischen Bulldoggen – die gefühlten Modehunde sind seit ein paar Jahren in sozialen Netzwerken wie Instagram häufig zu sehen. Dabei seien die meisten Tiere dieser Hunderasse krank, leiden unter Atemnot und japsen. Für einige offenbar ebenfalls ein Grund, ihre „Anschaffung“ wieder loszuwerden, wenn die Hochglanzfotos erst einmal geschossen und veröffentlicht sind. Jeanette Gudd appelliert an die Verantwortung von Menschen, die sich Tiere anschaffen. Das gelte im Übrigen nicht nur für Hunde, sondern für alle Tiere, auch für Katzen oder Kleintiere wie Meerschweinchen.

Tierheim Essen bietet nur noch Vermittlung mit Terminen an

In der Essener Einrichtung an der Grillostraße hat man auch Positives mit in den Nach-Corona-Alltag genommen. Vermittlungen von Tieren finden nur nach vorheriger Terminabsprache statt. Das war früher anders, da konnten Interessierte einfach so vorbeikommen. Mit der Folge laut Gudd, dass viele Menschen auf einmal im Tierheim anwesend waren. Dadurch war die Belegschaft nicht selten bei Vermittlungsgesprächen unter Zeitdruck, weil schon jemand anderes darauf wartete, dran zu sein.

Mitten in der Pandemie entschied man sich im Rahmen eines Corona-Ausbruchs bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dazu, nur noch Gespräche mit Termin anzubieten. Diese Praxis hat man beibehalten – und wird daran auch künftig festhalten, berichtet Gudd. Mit Interessenten seien unter diesen Umständen intensivere Aufklärungsgespräche möglich. „Früher hatten wir teilweise zehn Interessierte zeitgleich auf dem Gang. Jetzt mit den Terminen ist es besser – auch für die Tiere.“

Wenn sie sich etwas für die Zukunft wünschen könnte, dann wäre das eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle Hunde, denn diese gelte derzeit nicht für klein gewachsene Rassen. Das Problem bei einer fehlenden Kennzeichnung: Im Fall der Fälle kann ein Hund nicht seinem Halter zugeordnet werden. Darüber hinaus fordert Jeanette Gudd für jede Tierart einen Befähigungsnachweis. „Ein Tier wird im Moment einfach so gekauft, das kann es nicht sein.“

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