Essen-Südviertel. . Für sein neues Projekt „Mein Lied lernt fliegen“ sucht Musiker Florian Streier Jugendliche in Armut, die reich an Ideen sind. Mit dem Projekt bewarb sich Streier bei der RWE-Stiftung. Die lässt aktuell erstmals bei Facebook über Förderungen abstimmen und sorgt damit für rege Diskussionen im Netz.

Florian Streier ist ein Träumer. Einer, der sich nicht mit dem von erschreckenden Zahlen unterkellerten Boden der Tatsachen abfinden will: In fünf Vierteln der Stadt sind mehr als die Hälfte aller unter 18-Jährigen auf existenzsichernde Maßnahmen angewiesen. Laut einer Statistik aus diesem Juni sind sie arm. „Aber reich an ungehörten Ideen“, findet der Künstler aus dem Südviertel, der diesen Jugendlichen nun eine Stimme geben will.

„Mein Lied lernt fliegen“ hat er sein Projekt genannt, mit dem er ganz ohne erhobenen pädagogischen Zeigefinger ab Anfang nächsten Jahres auf die Reise gehen möchte. Zur Essener Tafel. Vor die Kreuzeskirche. An die Freiheit. Zum Porscheplatz. „Das Paradoxe ist: Gerade in der Innenstadt ist die Armut gestiegen. Also da, wo der Konsum im Mittelpunkt steht und viel Geld verdient wird“, sagt Streier. Es sei ein Irrglaube, dass Kinder- und Jugendarmut nur im Essener Norden verbreitet sei –sie finde sich direkt vor der Tür.

15 sehr persönliche Lieder der Stadt

Deswegen möchte er — mit dem von seinen drei Kindern gestalteten „Taubenhaus der Träume“ unterm Arm – eben genau dort seine potenziellen Song-Lieferanten finden. Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren können ihre Ideen, Sorgen, Träume, Ängste, Zukunftspläne ins Taubenhaus stecken.

„Daraus sollen 15 sehr persönliche Lieder der Stadt entstehen, die ich mit den Jugendlichen produziere. Musikalische Grenzen gibt es dabei nicht“, sagt Streier. „Ich bin ja häufig an Schulen und Kindergärten unterwegs, um mit Musik für Multikulti und Toleranz zu werben. Dieses Projekt ist aber etwas anderes, da es nicht an eine Institution gebunden ist. Ich bin nur der Chronist und gebe nicht viel vor“, sagt Streier, der vielen Essenern vor allem als Frontmann der Band „Familie Staub“ bekannt ist.

Neue Erfahrung für RWE-Stiftung 

Klar ist, dass sich die Idee bei allem Idealismus nicht von allein trägt. Deswegen macht Streier aktuell bei einem Wettbewerb der RWE-Stiftung mit. Auf deren Facebook-Seite können Nutzer noch bis 15. November über bislang 111 Projekte aus den Bereichen Soziales, Kultur und Bildung abstimmen – die besten Zehn mit den meisten „Gefällt mir“-Klicks erhalten jeweils eine Fördersumme in Höhe von bis zu 2 500 Euro.

„Es ist das erste Mal, dass wir auf diesem Weg über das soziale Netzwerk mit kleineren Initiativen in Kontakt kommen“, sagt Daniela Berglehn, die den Wettbewerb und die Facebook-Seite der RWE-Stiftung betreut – und spannende Diskussionen darüber erlebt, was förderungswürdig ist und was nicht. „Es gab auch Tierschutz-Projekte, die angefragt haben. Das haben wir aber im Vorfeld ausgeschlossen. Unterstützt werden nur Aktionen, mit denen Soziales, Kultur und Bildung in Deutschland gefördert werden“, sagt Berglehn.

Große Gemeinschaft in Lüdinghausen

Rege Diskussionen im Netz gab es auch über das Örtchen Lüdinghausen in Münsterland, wo ganz offensichtlich eine rege Verknüpfung untereinander besteht: Gleich mehrere Projekte, von einem Herbst- Zeltlager über ein Sommer-Zeltlager bis hin zu einem Rudersport-Verein sind aktuell unter den ersten Zehn. „Natürlich hat das in der Community bereits die Gemüter erhitzt. Andererseits darf jeder pro Tag einmal ein Projekt per Klick unterstützen. Es geht hier also mit rechten Dingen zu, die Vereine aus Lüdinghausen wissen eine große Gemeinschaft hinter sich“, sagt Daniela Berglehn, die dennoch in der vergangenen Woche bei Facebook folgenden Blogeintrag verfasste, um die Gemüter zu beruhigen: „(...) So sehr uns euer Engagement freut, so sehr leiden doch manche anderen Projekte darunter. Aktuell belegt Lüdinghausen sechs Plätze der Top10. Unsere Bitte daher: Überlegt doch mal im Sinne des Fair Play, ob ihr nicht auch mal für andere Projekte voten könnt. (...)“

Insgesamt verfügt die 2010 gegründete RWE-Stiftung im Jahr über einen Fördertopf in Höhe von 1,2 Millionen Euro. In der Regel wird mit größeren Partnern und Institutionen wie der deutschen Kinder- und Jugendstiftung zusammengearbeitet, eine fachkundige Jury entscheidet hier über die Vergabe. Das Facebook-Projekt, bei dem insgesamt bis zu 25 000 Euro ausgeschüttet werden, soll hingegen bewusst kleinere Vereine und Künstler ansprechen.

Weit vorn ist aktuell übrigens das Projekt „Dintje Dance“ aus dem Südviertel – Initiatorin und Tänzerin Eloisa Mirabassi, die damit auch jene fördern möchte, denen eine Ausbildung an der Folkwang-Hochschule versagt bleibt, ist die Partnerin von Florian Streier. Ideen, wie man die Welt ein Stückchen besser machen kann, haben beide offenbar genug.

Weitere Infos zu seinen Projekten gibt Florian Streier unter Tel.: 0201 / 759 4421. Über die Förderung der Projekte kann hier abgestimmt werden.