Südviertel. Wem bei Musikerfamilien vor allem die Kelly Family in den Sinn kommt, sollte vielleicht umdenken. Denn aus Essens Südviertel ist in diesem Jahr ein ganz eigener Clan mit viel Potenzial entstanden: die Familie Staub.

Die Familie Staub – das sind: der Sänger Florian Streier, der Violoncellist Holger Hahn, der Gitarrist Rainer Vollmer und der Drummer Tani Capitain. Irgendwie ziemlich wenig „Staub” in den Nachnamen. Sind die Bandmitglieder, die sich voller Überzeugung als „Brüder” bezeichnen”, womöglich gar nicht verwandt? Ist die Familienidylle im Südviertel nur eine Mogelpackung?

„Mitnichten”, sagt Frontmann Florian Streier. „Wir sind eine Familie und die Lieder sind unsere Kinder. Erst waren sie Babys, aber langsam werden sie reifer, aber auch verrückter.” Wenn auch nicht biologisch, so seien die Musiker doch geistig so eng miteinander verwandt, dass man durchaus von familiären Banden sprechen könnte.

Doch der „Familien”-Name hat noch einen anderen, etwas banaleren Grund. „Anfangs hießen wir ,Staub'”, erzählt Streier. „Doch dann stellten wir fest, dass es 26 niedersächsische Heavy-Metal-Bands gibt, die sich ebenfalls so nennen.” So sei die Idee entstanden, dem „Staub” den Familienbegriff, der „ganz und gar nicht kumpelig” gemeint ist, voranzustellen. „Wir sind richtig zusammengewachsen, das ist eine vollkommen organische Südviertel-Band”, betont Streier. Als Hauptdomizil dient den Staubs die „Goldbar”, in der sie regelmäßig Konzerte vor einer stetig wachsenden Fangemeinde geben.

Mittlerweile hat der Musikerclan seine Fühler über die Stadtgrenzen hinaus ausgestreckt und unter anderem Dank der Internetplattform „myspace” auch Kontakt zur Berliner Szene aufgebaut. „Elke Brauweiler von ,Paula' fand uns gut und schlug vor, ein Duett zu singen. Claus Grabke von der Skater-Kultband ,Thumb' produzierte dieses Stück dann auch sogleich.”

Im „Goldclub” im Girardethaus trugen sie das Liebeslied „Denn da bist du wirklich” auch live vor. Dieses Konzert war Mittelteil einer dreiteiligen Reihe im „Goldclub”, in der sie mit befreundeten Berliner Musikern auftraten. Den Anfang machte im September ein Auftritt mit dem Songwriter Danny Dziuk, und heute soll ein Konzert mit „Doto & die Stadtpiraten” die Trilogie beenden. Bei der Vermittlung der Auftrittsmöglichkeit halfen sicher auch die fast familiären Bande, die sie zu Patrick Sokoll, Besitzer der Goldbar wie des Goldclubs, besitzen.

Am Tag darauf, am 6. November, entert die Familie Staub gar die Hochkultur: In der Helden-Bar im Grillo-Theater tritt sie als Begleitband während der Talkreihe „Kröcks Kapitale Kritik – Das Kochstudio zur Weltverbesserung” auf, bei der Grillo-Dramaturg Olaf Kröck mit der belgischen Festivalmacherin Frie Leysen spricht, die im Kulturhauptstadtjahr das Festival „Theater der Welt” in Essen und Mülheim ausrichtet.

Überhaupt Kulturhaupt-stadtjahr: Da hat Familie Staub Großes vor: „Wir wollen die Hymne für Ruhr 2010 machen, das Lied das jeder mitsingt”, so Florian Streier. Weiß Oliver Scheytt denn schon was davon? „Der soll sich darüber wundern, dass Grönemeyers teuer eingekaufte Hymne nicht richtig funzt, während seine Sekretärin unsere Songs summt.” Das Zeug zu echten Ohrwürmern haben die eingängigen Deutschpopmelodien, die die Band selbst als „Dreckspop” bezeichnet haben möchte, jedenfalls.

Auch will Florian Streier ein Parallelprojekt zu „Ruhr 2010” starten: Die „Berne 2010”: „Die Berne ist ein kleiner Fluss, der hier im Bernewäldchen eine matschige Lache hinterlassen hat und wegen der Industrialisierung fast verschwunden ist”, sagt er. Im Rahmen einer Inszenierung möchte er das Gewässer wiederbeleben, „gerne finanziert vom Ruhrverband, der sitzt ja in der Nähe der Berne und will sich ja um die Gewässer hier kümmern”, so Streier.

Große Pläne also für eine kleine Familie, die aber vor allem eines beweist: Die Popmusikszene in Essen hat momentan so viel Potenzial und Esprit wie lange nicht mehr.