Südostviertel. . Wegen Schäden im Mauerwerk sanieren die Stadtwerke den geschichtsträchtigen Wasserturm Steeler Berg in den kommenden 18 Monaten.
Das Wahrzeichen des Südostviertels bekommt eine Ganzkörper-Kosmetik: Die Stadtwerke haben mit der Sanierung des Wasserturms Steeler Berg begonnen. Sie kann bis zu 18 Monate dauern, weil die Fassade Stück für Stück eingerüstet und repariert wird.
Der Industriebau im Gründerzeitstil entstand zwischen 1883 und 1884 nach den Plänen des Aachener Ingenieurs Otto Intze, der sich auf den Bau von Wassertürmen spezialisiert hatte und nach dem ein Bauprinzip benannt wurde, das viele Probleme mit dem Wasserdruck löste.
Ostpark wurde zum Flanieren genutzt
Während der Aachener Professor an der damaligen Steeler Chaussee im historistischen Stil baute, tüftelte er schon an einer neuen Generation von Reservoir, die Schornsteinbehälter, die ab 1885 ringförmig um Industrieschornsteine gebaut wurden, etwa beim Wasserturm in Bochum-Dahlhausen.
Der Wasserturm war vor dem Ersten Weltkrieg eine der besseren Adressen der Stadt: Der Ostpark nebenan, deutlich größer als heute, wurde wie ein Kurpark zum Flanieren genutzt. Außerdem fanden dort am Wochenende regelmäßig Konzerte statt. Davor oder danach gingen die Mitglieder des aufstrebenden Bürgertums ins Restaurant, das sich im 20 Meter hohen Unterbau des Turmes befand.
Gefechte vor dem Wasserturm
Essener Geschichte wurde am Wasserturm am 19. März 1920 geschrieben. Als Reaktion auf den Kapp-Putsch hatten sich im Ruhrgebiet Arbeiter bewaffnet und zur „Roten Ruhrarmee“ erklärt. Einheiten aus Gelsenkirchen und Wattenscheid hatten an jenem Tag die Innenstadt besetzt, die Sicherheitspolizei hatte kapituliert. Nur vom Wasserturm aus lieferten sich Mitglieder der Bürgerwehr und der Sicherheitspolizei ein letztes Gefecht mit der Ruhr-Armee. Die Ereignisse dieses Tages polarisieren bis heute. Das zeigte sich noch 2010, als ein Hamburger Künstler im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres rote Flaggen auf dem Wasserturm hissen ließ.
Hans Luther, von 1918 bis 1922 Essens Oberbürgermeister und später Reichskanzler und Reichsbankpräsident, bezeichnete das Gemetzel am Wasserturm später im Bemühen, die Gräben zuzuschütten, als „tragisches Missverständnis“: Die Belagerten hatten eine weiße Flagge gezeigt, aber dann nicht kapituliert, sondern Handgranaten in die Menge geworfen. Den elf toten Verteidigern des Turms wurde im Ostpark ein Gedenkstein gewidmet, 15 der Angreifer wurden 1921 vor dem Schwurgericht freigesprochen.
Essener Tafel im Unterbau
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Wasserturm schwer beschädigt und bis 1949 wieder aufgebaut, deutlich schmuckloser als vorher. 1985 wurde er dennoch in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen. Als „Wahrzeichen des Südostviertels“, aber auch mit Hinweis auf den Kampf 1920: „Seine Bedeutung für die Essener Geschichte leitet sich her von dem bürgerkriegsähnlichen Kampf zwischen Einwohnerwehr und Sicherheitspolizei gegen die so genannte ,Rote Ruhrarmee’, der hier stattfand.“
Heute nutzen die Stadtwerke den 2000 Kubikmeter fassenden Hochbehälter als einen von noch acht Wassertürmen. Im Unterbau hat die Essener Tafel ihre Zentrale und ein Lager für Lebensmittel. Die 1995 gegründete Tafel versorgt Bedürftige und gemeinnützige Essensausgaben mit Lebensmitteln.
Bei einer Routinekontrolle haben die Stadtwerke jetzt Schäden im Mauerwerk entdeckt. Ein Statiker warnte: Teile des Gesimses und zerbrochene Ziegelsteine könnten auf die Straße fallen. Die Stadtwerke haben sich für eine von einem Gutachter empfohlene Sanierung Stück für Stück entschieden, damit die Essener Tafel möglichst ungestört weiter arbeiten kann und der Verkehr nicht beeinträchtigt wird.