Essen-Heisingen/Stadtwald. Essener Ehepaar berichtet vom Ausweichmanöver im Schellenberger Wald, um sich vor einem Mountainbiker zu retten. Stadt: Die Piste ist illegal.
Diesen Spaziergang werden Berthold Reeker (61) und seine Frau Vera (49) nicht vergessen: Als sie am 23. Mai gegen 18.50 Uhr im Schellenberger Wald unterwegs waren, sei ein Mountainbike-Fahrer mit hohem Tempo einfach auf sie zugefahren statt auszuweichen. Sie hätten sich nur durch einen Sprung ins Gebüsch retten können. Mit dramatischen Folgen: Vera Reeker wurde schwer verletzt. Laut Stadt ist die Bikerpiste illegal.
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Dass ein Bereich des Schellenberger Waldes offenbar gern von Mountainbikern genutzt wird, ist seit Jahren bekannt. Die Strecke durch den Wald weist zahlreiche Rampen, Erdhügel und Hindernisse aus Totholz auf. Das sorgte vor vier Jahren für massiven Ärger mit Naturschützern, die die Verdichtung des Erdreichs und die Zerstörung der Natur dort beklagten.
Ehepaar aus Essen-Heisingen beklagt sich über Rücksichtslosigkeit
Berthold und Vera Reeker waren nach eigenen Angaben an jenem Tag mit Sohn und Mischlingshund Lotte das erste Mal in diesem Waldstück unterwegs, das von der Kreuzung Heisinger Straße/Uhlenstraße zu erreichen ist. „Wir wohnen hier direkt in der Nähe in der Oberfeld-Siedlung“, sagt Berthold Reeker. Mit dem Hund würden sie aber meist auf der anderen Seite der Heisinger Straße und in der Nähe des Jagdhauses Schellenberg spazieren gehen.
Naturschützer hatten sich bereits über die Biker beschwert
Bereits 2016 hatte es Ärger um die illegale Mountainbike-Piste mit Hügeln, Schanzen und ausgearbeiteten Kurven im Schellenberger Wald gegeben.
Mitglieder des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hatten den Bikern vorgeworfen Wurzeln zu beschädigen, den Waldboden zu verdichten und Erosionen zu produzieren. Es würde nicht nur die ökologische Funktion des Waldbodens leiden, sondern langfristig sogar die Standsicherheit der Bäume.
Der Unfall hat das Ehepaar geschockt: „Der Biker hat uns eigentlich von weitem sehen können.“ Er habe nur aus rund 30 Metern Entfernung „aus dem Weg gebrüllt“ und sei dann auf sie zugerast, wohl um den dortigen Erdhügel als Rampe zu nutzen. „Er hätte auch anhalten oder seitlich vorbeifahren können, dann wäre nichts passiert“, ist Berthold Reeker entsetzt über die Rücksichtslosigkeit. Beim Sturz ins Gebüsch habe sich seine Frau verletzt. Sie habe einen so massiven Bluterguss am Oberschenkel erlitten, dass sie einige Tage später unter Vollnarkose habe operiert werden müssen.
„Dabei hatten wir noch Glück im Unglück. Mich hat das Rad am Oberarm und an der Schulter gestreift, zum Glück ist nichts weiter passiert, nur ein paar Kratzer von den Dornen“, berichtet der Heisinger.
Der Mountainbiker sei noch einige Meter weitergefahren, dann selbst gestürzt. „Uns hat er nur angeschrien. Statt sich um uns zu kümmern, ist er wieder auf sein Rad gestiegen und ist abgehauen“, so der 61-Jährige. Das Paar habe die Polizei gerufen und Anzeige gegen Unbekannt erstattet, „mit wenig Aussicht auf Erfolg“. Der Fahrer habe einen Integralhelm getragen und sei komplett schwarz gekleidet gewesen. „Ich würde den allenfalls an der Stimme wiedererkennen“, so Berthold Reeker.
Nachbarn sei bereits Ähnliches passiert
Mit seiner Frau sei er noch am selben Abend ins Krankenhaus gefahren. Eine knappe Woche nach dem Vorfall sei sie operiert worden. Vera Reeker: „Ich habe inzwischen von Nachbarn gehört, denen hier ganz Ähnliches passiert ist.“
Berthold Reeker, der früher als Wirtschaftsprüfer tätig war, ist sportlich, läuft, fährt Rad und geht viel mit dem Hund spazieren. „Ich fahre selbst Mountainbike, aber auf befestigten Wegen. Das hier im Wald ist natürlich ein Paradies für Mountainbiker. Ich will denen den Spaß auch gar nicht verderben. Aber Rücksichtnahme sollte doch möglich sein“, so der Heisinger.
Anwohner hält Hinweisschilder für sinnvoll
„Wenn sich hier eine solche Piste befindet, die gerade an Wochenenden und bei gutem Wetter stark genutzt wird, müsste man doch Hinweisschilder ,Achtung Mountainbiker’ aufstellen. Dann wären Spaziergänger wenigstens gewarnt“, appelliert er an die Stadt. Er überlege auch, sich mit seinem Anliegen an die örtlichen Politiker zu wenden.
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Laut Presseamt ist die Mountainbike-Strecke an der Uhlenstraße illegal. Die Waldfläche, die 2014 vom Pfingststurm Ela extrem betroffen war, dürfe nicht betreten werden, das sei entsprechend beschildert. Es handele sich um eine zusammenhängende Naturwaldentwicklungsfläche. Wenn die Sperrverfügung des Landesbetriebs Wald und Holz NRW erneuert werde – der Antrag dazu sei im Mai gestellt worden – , solle eine neue Beschilderung erfolgen.
Das Radfahren außerhalb von Waldwegen ist laut Stadt verboten
Unabhängig davon, sei das Radfahrern außerhalb von Waldwegen, die in diesem Bereich ohnehin nicht existierten, verboten, so Jasmin Trilling vom Stadtpresseamt. Die Flächen (Altholzinseln) seien besonders schützenswert und sollten der natürlichen Entwicklung vorbehalten bleiben.
Die Politik habe sich mit der Verwaltung mehrfach um eine geordnete Lösung für die Mountainbiker dort bemüht. Allerdings hätten die Radfahrverbände nicht genug aktive Mountainbike-Fahrer für die Gründung eines Vereins finden können, der dann eine solche Strecke nach Wuppertaler Vorbild hätte übernehmen können.
Die illegale Strecke an der Uhlenstraße werde in keiner Weise toleriert, so Jasmin Trilling. Die Stadt habe dort in Vergangenheit immer wieder entsprechende Schilder aufgestellt und vor allem auch die Eingänge mit Reisig zugelegt. Aktuell gebe es Gespräche mit dem Landesbetrieb Wald und Holz, um den Wert der Fläche in Bezug auf den Naturschutz erfassen zu lassen.