Essen-Rellinghausen/Bergerhausen. Josef Albers erlebte die letzten Bombennächte als Kind mit, sah die ausgebrannte Kirche St. Lambertus. Bürgerschaft gibt Bücher zum Thema heraus.
75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 sind die Erinnerungen bei denen, die damals dabei waren, teils noch sehr lebendig. Das gilt auch für Josef Albers. Der heute 84-Jährige lebte damals in Bergerhausen am Adelgundenweg und erlebte das Ende der Bombenangriffe als Zehnjähriger mit. Vieles wird er nie vergessen.
Josef Albers wohnt noch heute in der Nähe seines Elternhauses. Er erinnert sich daran, wie die amerikanischen Soldaten von Steele aus über das Krause Bäumchen nach Rellinghausen einzogen, mit Kabelrollen für die Feldtelefone auf dem Rücken. „Wir waren geschockt. Damals herrschte das Gefühl vor, eine Schmach erlitten zu haben. Schließlich hatten wir den Krieg verloren. Erst später, mit zunehmender Reife, hat man das dann anders gesehen“, blickt Albers zurück.
Nach dem Ende der Angriffe läuteten die Glocken
„Als Waffenstillstand herrschte, haben die Glocken der evangelischen Kirche in Rellinghausen, die den Krieg überstanden hatte, eine Viertelstunde lang geläutet. Das konnten wir bis zum Adelgundenweg in Bergerhausen hören, wo wir damals wohnten“, sagt Josef Albers. Noch heute bekomme er eine Gänsehaut, wenn er daran zurückdenke. Da habe man dann schon so etwas wie Erlösung empfunden, versucht Josef Albers die teils widersprüchlichen Gefühle von damals zu beschreiben.
Bürgerschaft bietet zwei Bücher im Paket an
Über die Zeit vom 1. Januar 1945 bis zur Übergabe Essens an die Briten am 10. Juni 1945 berichtet die Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald in dem Band „1945 Kriegsende in Rellinghausen“ sowie dem Folgeband, der die Zeit danach beschreibt bis zum 31. Dezember: „1945, Besatzungszeit und Neubeginn im Essener Süden“.
Beide Bände zusammen werden aktuell zum Jahrestag des Kriegsendes zum Sonderpreis von 15 Euro verkauft. Bestellungen sind per E-Mail möglich an: bueresta@t-online.de .
Von da an habe er auch nicht mehr im Trainingsanzug schlafen müssen. „Wir mussten bei Angriffen in zwei Minuten bereit für den Bunker sein. Jeder nahm ein Köfferchen mit den wichtigsten Unterlagen in die Hand“, berichtet Albers. Nach dem Ende der Bombennächte habe ihn seine Mutter abends vor dem Zubettgehen auffordert: „Du kannst dich ausziehen.“ Das Schlafen im Schlafanzug sei ein Symbol für die neue Sicherheit gewesen, auch wenn ihm erst mal kalt gewesen sei.
Alpträume von riesengroßen Panzern
„Ich habe später immer noch Alpträume gehabt, von Riesenpanzern, die die Häuser zu überrollen drohten“, blickt der Bergerhauser zurück. Woran er sich auch erinnere: In den Kellern habe es damals mit losen Steinen verschlossene Durchbrüche gegeben, so dass man von einem Haus ins andere gelangen konnte, wenn das Haus von Bomben getroffen war.
Die katholische Kirche St. Lambertus in Rellinghausen sei von Brandbomben schwer getroffen worden, die Glocken seien vom Glockenstuhl gefallen, die Kirche nachts um 4 Uhr ausgebrannt. Die spätere Suche mit einer Hacke im Altarraum nach den für die Messe notwendigen Gegenständen sei wohl erfolglos geblieben, vermutet Albers.
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Er selbst habe zum Glück keine nahen Angehörigen im Krieg verloren. Der Vater habe auf der Zeche Ludwig gearbeitet. „Da wir zu Hause sieben Kinder waren, war mein Vater damals als unabkömmlich eingestuft worden.“
Zwei Bücher der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald
Mit der Zeit um das Kriegsende beschäftigen sich zwei Bücher der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald. „Eigentlich war der Krieg, zumindest was die Kampfhandlungen betraf, für die Essener schon am 11. beziehungsweise 17. April zu Ende, also rund drei Wochen vor dem eigentlichen Kriegsende“, so Johannes Stoll, Vorsitzender der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald.
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Nachdem amerikanische Truppen bereits am 7. April den Rhein-Herne-Kanal in Essen überschritten hatten, habe es nur noch vier Tage gedauert, bis Essen bis zum nördlichen Ruhrufer komplett besetzt gewesen sei. Die südlich gelegenen Stadtteile seien einige Tage später besetzt worden, als amerikanische Truppen von Süden kommend die deutschen Truppen entwaffneten. Enorme Schäden habe in diesen wenigen Tagen Werden hinnehmen müssen, das unter schwerem amerikanischem Geschützfeuer gelegen habe, schreibt Stoll über die dramatischen Tage 1945.
Dann hätten die Menschen im Essener Süden endlich durchatmen können: keine Bombardierungen mehr, kein Alarm, keinen Bunker aufsuchen, keine Gefahr mehr durch Tiefflieger und Ferngeschütze.
Das Leben in der Nachkriegszeit war hart
Doch das Leben für die Bevölkerung blieb schwer, wie in den Büchern nachzulesen ist. Es herrschte eine absolute Knappheit an Lebensmitteln. Neben 40.000 Zwangsarbeitern, die bevorzugt behandelt worden seien, seien noch etwa 300.000 Essener zu ernähren gewesen. Die amerikanische Militärverwaltung, die auf diese Aufgabe nicht vorbereitet gewesen sei, habe deshalb den sofort einsetzenden Zuzug nach Essen gestoppt, so Johannes Stoll. Die ausgegebenen Lebensmittelkarten habe es nur für registrierte Bürger Essens gegeben.
Die Bürger hätten gelitten, an einen normalen Alltag sei nicht zu denken gewesen: zerstörte Häuser, Kanalisation, Wasserleitungen, keine Straßenbahn – das alles habe das Stadtbild geprägt. „Die öffentliche Ordnung musste mühsam wiederhergestellt werden, was auch mithilfe eines strikten nächtlichen Ausgehverbots in Angriff genommen wurde“, schreibt der Bürgerschaftsvorsitzende.
Die deutsche Stadtverwaltung, die zunächst in Amt und Würden geblieben sei, habe alle Hände voll zu tun gehabt, das Leben wieder in Gang zu bringen. Regiert worden sei mit Notverordnungen und Proklamationen in Deutsch und Englisch.
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