Essen-Rellinghausen. . „Rellinghausen im Dritten Reich“ heißt der siebte Band, den die Bürgerschaft zur Heimathistorie herausgibt mit Kapiteln zu Industrie, Sportstätten und Polizei.

Als sich die Wege des Ehepaares Lindemann 2009 mit denen der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald kreuzten, ahnte niemand, wie umfangreich das Ergebnis dieser Begegnung sein würde: Sieben Bände erzählen nun von der Historie Rellinghausens; von Kaiserreich, Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Valeska und Klaus Lindemann sind die Autoren, Herausgeber ist die Bürgerschaft. Jetzt ist der (vorerst) letzte Band erschienen, der zweite mit dem Titel „Rellinghausen im Dritten Reich“. Er handelt von Industrie, Schellenberger Wald, Sozialem, Sport, Vereinen, Polizei und Judenverfolgung.

In Kapitel acht etwa wird das Stadion am Uhlenkrug als zentraler Aufmarschort für die Vereidigung der Rekruten beschrieben. Die Schillerwiese nutzte damals die Hitlerjugend, während die Anlage am Krausen Bäumchen für Großveranstaltungen der Nazis diente, nennt Klaus Lindemann einige Fakten zu Sportstätten.

7000 Stunden Archivarbeit für die Autoren

© Herbert Höltgen

Um an diese Informationen und zahllose Details zu gelangen, haben die Autoren jahrelang recherchiert. Allein für das aktuelle Buch waren es rund 7000 Stunden, in denen beide mitunter tagelang im Stadtarchiv abtauchten. Sie nutzen zudem alte Zeitungen, das bischöfliche Archiv in Köln oder Dokumente, die die Bürgerschaft im Rellinghauser Blücherturm aufbewahrt. „Alles machten sie ehrenamtlich. Aber dieser Einsatz ist ohnehin unbezahlbar“, fasst Johannes Stoll zusammen. Er ist der Vorsitzende der Bürgerschaft, die vor sieben Jahren Autoren suchte – für genau ein Buch. Anlass war der 100. Jahrestag der Eingemeindung Rellinghausens und der Wunsch der Bürgerschaft aufzuklären: „Das Interesse an Heimatgeschichte wächst“, weiß Stoll.

Früher Lehrer, heute Autoren

Valeska und Klaus Lindemann brachten Eignung, Zeit und Interesse mit. Denn die 72-Jährige hat Englisch und Geschichte studiert, hat promoviert und war Lehrerin an der BMV. Ihr Mann, Doktor der Germanistik, unterrichtete am Gymnasium Borbeck. An den sieben Bänden aber arbeitete das pensionierte Paar gemeinsam. Die Fülle des Materials, auf das die beiden Autoren dann bei ihrer akribischen Suche stießen, begründete schließlich den Umfang ihres Werkes.

In diesem siebten Band geht es auch um den Kauf des Schellenberger Waldes, den die Stadt 1932 von Freiherr von Vittinghoff gen. Schell erwarb. Bezahlt hat die Stadt mit attraktiven, stadtnahen Grundstücken und konzipierte den Wald als Erholungsfläche, erklärt Valeska Lindemann, nicht ohne die Namen von Gartendirektor Korte und Revierförster Frommhold zu nennen, die sich für Wald- und Vogelschutz einsetzten. Die Nazis aber holzten gnadenlos Bäume, um Kohlegas für den Antrieb der Lastwagen zu gewinnen. Nachzulesen in Kapitel sechs: „Hände weg vom Schellenberger Wald.“

„Denunziation war die größte Gefahr“

„Denunziation war die größte Gefahr“ ist das elfte und letzte Kapitel des Bandes überschrieben. „Die Gestapo hat in Rellinghausen schrecklich gewütet und so viele Hinweise von Denunzianten erhalten, dass sie kaum nachkam“, nennt Klaus Lindemann ein Recherche-Ergebnis. 1941 lebte keiner der zuvor gemeldeten 63 Juden mehr in Rellinghausen, Stadtwald und Bergerhausen, sie waren „untergetaucht, ausgewandert oder ermordet worden“.

Zu den Schicksalen zählt das von Dore Jacobs, die eine Schule für Körperbildung und rhythmische Erziehung im Blockhaus an der Leveringstraße 30 leitete und zum „Bund Gemeinschaft für sozialistisches Leben“ gehörte, der verboten wurde. Ihre privilegierte Mischehe (ihr Mann war kein Jude) schützte sie zunächst vor Verfolgung, später aber musste auch sie untertauchen.

Wie Marianne Strauß die Gestapo täuschte

Marianne Strauß wiederum entkam der Gestapo, als diese ihre Familie abholen wollte: Sie täuschte vor, noch etwas Reiseverpflegung holen zu wollen und entkam in einem unbewachten Augenblick, zitieren die Autoren einen Gestapo-Bericht. Ihr Zufluchtsort wurde das Blockhaus von Dore Jacobs.

Ein bedeutender Rellinghauser Jude war Philipp August Rappaport, der Professor war stellv. Direktor des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk und galt durch seine Ehe ebenfalls als privilegierter Jude. 1944 wurde er dennoch deportiert, floh ein Jahr später aus dem Lager. Zurück in Essen versteckten Pfarrer ihn. Nach dem Krieg begleitete Rappaport in führender Position den Wiederaufbau Essens.

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Das Buch „Rellinghausen im Dritten Reich“ ist erhältlich: in der Buchhandlung Leselust, Frankenstraße 280; im Reisebüro Heger, Stadtwaldplatz 3, in den katholischen öffentlichen Büchereien, Theresia, Lambertus, Hubertus und Raphael, bei Lotto Schlüsener, Frankenstraße 102 sowie an der Tankstelle Goldmann, Frankenstraße 74.

Das Buch kostet zwölf Euro. Weitere Informationen und Kontakt zur Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald: 43 09 610 oder im Internet auf: www.buergerschaft-rellinghausen.de