Essen-Holsterhausen. In wenigen Tagen ziehen die erste Flüchtlinge an der Planckstraße ein. Viele Anwohner wollen helfen. Dezernent Peter Renzel beantwortete Fragen.
„Kein Tageslicht, kaum Platz, keine Privatsphäre.“ Konsterniert schaut Silke Bichmann in eine der kleinen, von wackeligen Trennwänden aus Plastik eingefassten Kammern. Dort stehen drei Doppelstockbetten, daneben gibt es gerade genug Platz für einen Tisch und drei Spinde. Die Holsterhauserin ist, wie mehr als 300 andere Anwohner, dem Aufruf des Sozialdezernenten Peter Renzel gefolgt, die neue Zeltstadt für Flüchtlinge auf dem ehemaligen Sportplatz an der Planckstraße zu besichtigen. Dort werden in den nächsten Tagen bis zu 400 Menschen einziehen.
„Es ist ordentlich und sauber, die medizinische Versorgung ist gewährleistet und keiner muss hungern oder frieren – das ist allemal besser, als auf den Straßen rund um den Budapester Bahnhof“, sagt ein anderer Holsterhauser, der direkt an der Planckstraße wohnt.
Kritische Fragen von den Holsterhausern
Beide Einschätzungen teilen die meisten Bürger, die durch das große Zelt geschleust werden. Sie befriedigen nicht nur ihre Neugierde, viele wollen auch irgendwie mithelfen, wollen sich ehrenamtlich engagieren. „Ich könnte mir vorstellen, bei der Essensausgabe zu helfen“, sagt Frank Werner und fügt hinzu: „Diesen Ansturm kann die Stadt nicht ohne die Unterstützung ihrer Bürger bewältigen.“
Flüchtlinge in DeutschlandVier große Zelte für jeweils bis zu 70 Personen stehen bereits auf dem Gelände, sechs sollen es insgesamt werden. Dort werden alleinstehende Männer, Frauen und Familien getrennt untergebracht. Dazu wird es noch ein Gemeinschaftszelt und einen Sanitärcontainer geben. 30 Duschen und Toiletten teilen sich die Flüchtlinge, die rund um die Uhr von Sozialarbeitern betreut und von Sicherheitsleuten bewacht werden, erklärt Ridda Martini von European Homecare, dem Betreiber des Flüchtlingsdorfes. Seine Ausführungen werden von den Holsterhausern kritisch verfolgt und hinterfragt. „Warum gibt es keine Türen zu den einzelnen Schlafkabinen?“, möchte eine Anwohnerin wissen, eine andere fragt nach der Beleuchtung in den riesigen Zelten. Die werde zentral gesteuert und gegen 21 Uhr ausgeschaltet, erklärt Martini. Grund dafür seien Brandschutzbestimmungen. Deswegen gebe es in den Kabinen auch keinen Elektroanschluss. „Und wenn eine Frau nachts ihr Baby wickeln muss?“, will eine ältere Frau wissen, ohne eine befriedigende Antwort zu erhalten. Türen seien bei der Zelt-Konstruktion nicht vorgesehen, lediglich Vorhänge sorgen für ein wenig Privatsphäre.
Derzeit keine Alternative
„Ich bin ein wenig erschüttert, finde diese Unterbringung fast menschenunwürdig“, sagt die 21-jährige Jacqueline, die sich wie ihre Freunde bereits als ehrenamtliche Hilfe bei der Bürgerinitiative „Willkommen in Essen“ hat registrieren lassen. Dass es derzeit keine Alternative gibt, erklärt Sozialdezernent Peter Renzel, um den sich eine große Gruppe schart. 2600 Plätze fehlten in der Stadt, „so schnell, wie die Menschen zu uns strömen, kommen wir mit dem Ausbau geeigneter Gebäude einfach nicht nach“. Man sei bestrebt, die Flüchtlinge so zügig wie möglich in Wohnungen zu vermitteln.
Die Zeltstadt wurde vorläufig für sechs Monate angemietet, doch über genaue Zeitangaben kann und will Renzel derzeit nicht spekulieren.