Essen. Dass im ersten Zeltdorf in Essens am Altenbergshof der Lagerkoller droht, ist der Essener Stadtspitze klar. Doch die Verantwortlichen sehen keine Alternativen.
Das Zeltdorf am Altenbergshof im Essener Nordviertel ist noch nicht fertig, da erlebt es schon den ersten Massenandrang: Am Montag um 9.30 Uhr lädt die Stadtspitze zum Presserundgang, mittags sehen sich Ratsleute und Stadtteilpolitiker um und um 17 Uhr beginnt die erste Info-Veranstaltung für die Nachbarn.
Und jeder sieht, dass es hier eng werden wird, wenn sich je 70 Menschen ein Zelt mit 250 Quadratmetern teilen. Für Familien werden mit drei Meter hohen Stellwänden übersichtliche Kabinen geschaffen. Etagenbetten und Spinde sind das einzige Mobiliar; Tische und Stühle gibt es nur im Kantinen- und im Gemeinschaftszelt. Fenster sind in keinem der aus dem Messebau bekannten Zelte vorgesehen.
24-Stunden-Betreuung im Zeltdorf
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Waschgelegenheiten gibt es in Containern, den Platz, auf dem das Flüchtlingsdorf steht, hat man mit Schotter befestigt, damit er bei Regen nicht wegschwimmt. Andere Standorte werden gleich asphaltiert. Die Zelte gelten als sturmfest bis zu acht Windstärken, die Klimaanlage soll Hitzeperioden und Minusgrade erträglich machen.
Als größeres Problem gilt allerdings das Klima in der Einrichtung: „Wie wirken wir dem Lagerkoller entgegen“, ist die Frage, die Kromberg und Sozialdezernent Peter Renzel umtreibt. Das Unternehmen European Homecare (EHC), das die Unterkunft betreiben wird, gibt darauf eine erste Antwort: „In einer solchen Enge kann es zu Aggressionen kommen, darum arbeiten wir hier mit mehr Personal“, sagt Ridda Martini. Und dabei rede er nicht in erster Linie von den Sicherheitsleuten, sondern von einer 24-Stunden-Betreuung: „Wir werden hier eine kleine Sanitätsstation aufbauen, verstärken das Angebot für Kinder und die Sozialarbeit.“
„Das hier ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“
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Reichen wird auch das nicht, glaubt Kromberg. „Das schaffen wir nicht alleine und auch nicht mit EHC, Caritas und Diakonie. Das hier ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“ Er setzt auf Nachbarn, die Flüchtlinge zum Arzt, begleiten, mit Kindern Sport machen oder Deutsch unterrichten; ein Runder Tisch habe sich gegründet. Gegründet hat sich aber auch die Bürgerinitiative Altenbergstraße, die auf die Probleme im Stadtteil hinweist und Unterschriften gegen das Zeltdorf sammelt.
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Andere Sorgen treiben Grüne und Linke um, die auf der heutigen Sondersitzung des Sozialausschusses noch einmal darauf dringen, für die Unterbringung von Flüchtlingen die als ungeeignet abgelehnte LVR-Klinik in Heidhausen zu prüfen, zudem leerstehende Gebäude wie das frühere Straßenverkehrsamt an der Henri-Dunant-Straße .
Kromberg hört sich die Vorschläge und Bedenken der Politiker gern an, entscheiden muss er derzeit ohne sie: Die Zeltdörfer hat er zur Abwehr drohender Massenobdachlosigkeit beschlossen. „Und mir fehlt die Phantasie, wie wir die insgesamt 2600 Plätze zeitnah durch feste Unterkünfte ersetzen sollten.“
Rund 2600 Plätze sollen in sieben Zeltdörfern entstehen
Flüchtlinge in DeutschlandSieben Zeltdörfer sind in Essen geplant: Nach Altenbergshof (Nordviertel, startet morgen), Planckstraße (Holsterhausen, im Aufbau) u. Volkswald (Heidhausen) benannte der Ordnungsdezernent Bamlerstraße (Altenessen), Pläßweidenweg (Horst) und Bonifaciusstraße (Schonnebeck). Über den siebten Standort wird dieser Tage entschieden. An sechs Standorten sollen jeweils 400 Plätze geschaffen werden, im Volkswald sind lediglich 250 vorgesehen.