Essen-Rellinghausen. Im nächsten Jahr jährt sich der Hostienraub, in dessen Folge die Kapelle erbaut wurde, zum 500. Mal. Bis dahin haben die Handwerker viel zu tun.
Jedes Jahr lockt das Annenfest am letzten Juli-Sonntag zahlreiche Gläubige aus dem ganzen Stadtgebiet ins Rellinghauser Annental. In der Annenkapelle besitzen die Rellinghauser ein Kleinod, das weit über die Stadtteilgrenzen hinaus Historiker und Katholiken gleichermaßen interessiert. Im kommenden Jahr feiert die Gemeinde St. Lambertus, zu der die Kapelle gehört, den 500. Jahrestag des Hostienraubs, auf den die Tradition des Annenfestes zurückgeht. Für das Jubiläum soll das Gotteshaus, das als Sühne für den Hostienraub errichtet wurde, renoviert werden.
„Das ist tatsächlich dringend notwendig“, versichert Peter Beckmann (76), seit 1992 Vorsitzender der Freunde und Förderer des Annenfestes, die sich um das Rahmenprogramm der Feier, die Pflege und Nutzung der Kapelle sowie um die großen Grünanlagen kümmern. Beckmann zeigt auf den abgeplatzten Putz an den Kapellen-Wänden und erinnert daran, dass die letzte größere Renovierung 1974 stattfand.
Hoffen auf Renovierungs-Zuschuss vom Bistum
Feuchtigkeit war aufgrund von Drainage-Problemen in die Wände eingedrungen, so dass der Putz vom Boden bis zu einer Höhe von anderthalb Metern abgeklopft und erneuert werden muss. Nur zum Frostschutz werde die Kapelle im Winter etwas geheizt. Mollige Wärme sei in einem elf Meter hohe Gebäude sowieso nicht zu erreichen und würde dem Holzaltar auch eher schaden. Dieser wurde nachträglich kunstvoll farbig gestaltet. Das Altarbild zeigt die Stiftsdamen bei der Annenprozession.
Erneuert werden muss zudem die Elektrik, inklusive Sicherungskästen aus den 1970er Jahren, Steckdosen und Lampen. Auch Malerarbeiten an den Fenstern und Wänden stehen an. „Zudem wird draußen der Weg trockengelegt und befestigt“, sagt Beckmann. Die Renovierung der Kapelle werde zwischen 40.000 und 50.000 Euro kosten, die die Gemeinde trägt. „Wir hoffen noch auf einen Zuschuss vom Bistum“, sagt Beckmann.
Im Winter geschlossen
Die Arbeiten starten in Kürze. Der Zeitdruck bei der Renovierung hält sich in Grenzen, da die Kapelle sowieso im Winterhalbjahr nicht genutzt wird und jetzt lediglich einen Monat eher schließt. Bis Mai sei alles fertig, ist Beckmann überzeugt. In der kleinen Kapelle finden maximal 100 Menschen Platz.
Dort, wo 1516 der Legende nach die von den Räubern weggeworfenen Hostien von einem Schäfer gefunden wurden, war damals wohl zunächst ein Zaun, später eine einfache Holzkapelle gebaut worden, die nach rund 200 Jahren zerfiel. Sie wurde ab 1701 durch die heutige massive Steinkapelle ersetzt. „Als ich Kind war, wurde jeden Sonntag um 7.30 Uhr ein Gottesdienst in der Kapelle gefeiert“, erinnert sich der pensionierte Diplom-Ingenieur Beckmann, der schon immer in der Gemeinde lebt. In den 1950er-Jahren sei der Gottesdienst noch gut besucht, in den 1970er-Jahren dann eingestellt worden.
Auch St. Lambertus muss geschlossen bleiben
Jetzt finden in der Annenkapelle, die normalerweise von September bis April geschlossen ist, nur noch Maiandachten, Hochzeiten – in diesem Jahr fünf – und einmal im Jahr ein Gottesdienst für eine Gruppe aus Masuren statt, der in diesem Jahr wegen der Renovierung ausfallen muss. Wichtigster Termin im Jahr ist das Annenfest mit Gottesdiensten und Prozessionen.
Auch für die benachbarte Pfarrkirche St. Lambertus steht eine Renovierung an. Ob sich diese auf die notwendigsten Dinge wie Heizung, Elektroanlagen und Anstrich beschränken oder zu einer aufwendigen Verschönerungsaktion wachsen wird, hängt noch von den Denkmalschützern ab. „Die Gespräche laufen. Die Denkmalbehörde hat noch nicht das Okay gegeben, ob die von einem Architekten entwickelten Pläne so umgesetzt werden können“, sagt Peter Beckmann. Sicher ist, dass die Kirche ab sofort bis Dezember für die Renovierung geschlossen bleibt. „Ursprünglich haben wir gehofft, die Kirche schon in der Adventszeit wieder nutzen zu können. Doch es wird wohl Weihnachten werden“, so Beckmann.
Kirche brannte im Zweiten Weltkrieg aus
Die Gläubigen müssen während der fünfmonatigen Renovierungsphase zum Gottesdienstbesuch auf katholische Kirchen in den Nachbarstadtteilen wie St. Theresia, St. Hubertus oder St. Markus ausweichen. „Mitte Januar muss die Kirche auf jeden Fall wieder zur Verfügung stehen. Da heiratet meine Tochter“, hofft Beckmann auch aus ganz persönlichen Gründen auf einen reibungslosen Verlauf der Arbeiten. Die genauen Kosten hängen vom Umfang der Renovierung ab. Sie werden laut Beckmann zu je einem Drittel von Land, Bistum und Gemeinde getragen.
Schon vor 1000 Jahren wurden in Rellinghausen an ungefähr derselben Stelle Gottesdienste gefeiert. Früher bestand dort das Stift Rellinghausen. Es war speziell für Frauen des niederen Adels gedacht und wurde wahrscheinlich im Jahr 996 von der Essener Äbtissin Mathilde gegründet, die bis heute in Rellinghausen verehrt wird.
Die Kirche sei 1828 errichtet worden, der Turm jedoch schon 1000 Jahre alt, berichtet Beckmann. Im Zweiten Weltkrieg brannte die Kirche aus und wurde später innen neu gestaltet. Heute ist St. Lambertus Pfarrkirche der gleichnamigen Pfarrei, die aus sieben ehemals selbstständigen Pfarreien im Umfeld gebildet wurde. Geleitet wird sie von Pfarrer Olaf Deppe.