Essen. Durch Olympia wurde die Idee eines Deckels über der A40 wiederbelebt. Nicht zuletzt soll so mehr Wohnraum entstehen. So geht es in Essen weiter.

Es war nicht mehr als eine Randnotiz, als die Stadt dieser Tage folgendes mitteilte: Der für Stadtplanung und Bauen zuständige Fachausschuss des Stadtrates hat über die Durchführung von vorbereitenden Untersuchungen für das Umfeld der geplanten A 40-Abdeckelung in Frohnhausen und Holsterhausen beraten.

Vorbereitende Untersuchungen? Das klingt nach Vermessungstrupp und Probebohrungen. Im konkreten Fall ist es nicht einmal das. Die Stadt will eruieren, unter welchen rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen sich ein Deckel über der Stadtautobahn realisieren ließe. Und doch ist es ein weiterer, kleiner Schritt auf einem langen Weg zu einem großen Ziel.

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Die Wiederaufnahme der Deckel-Idee beflügelt die Phantasie

Ein Deckel auf der A 40? Diese Idee weckt Sehnsüchte und beflügelt die Phantasie. Nirgendwo gilt das so sehr wie im Essener Westen, wo die tiefergelegte Autobahn zwei Stadtteile voneinander trennt wie eine Schneise, bevor sie gleich hinter der Ausfahrt in Richtung Innenstadt im „Ruhrschnellwegtunnel“ verschwindet, um allerdings nach einem Kilometer wieder aufzutauchen und weitere Stadtteile im Osten zu verlärmen. Die Eröffnung des Tunnels wurde im September 1970 in Anwesenheit von Bundespräsident Gustav Heinemann, Bürger dieser Stadt und von 1946 bis 1949 Essens Oberbürgermeister, als ein Meilenstein moderner Verkehrspolitik gefeiert.

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Olympia war für Essens OB die Chance, die Idee eines Deckels auf der A 40 aufzugreifen

Thomas Kufen, ein Nachfolger Heinemanns in diesem Amt, überraschte die Öffentlichkeit, als er vor gut eineinhalb Jahren einen Deckel auf der A 40 als Standort für ein Olympisches Dorf ins Spiel brachte. Die Rhein-Ruhr-Region liebäugelte mit einer Bewerbung für die Spiele 2032. Für Essens OB war es die Gelegenheit, sich des Deckel zu erinnern. Kufen zauberte die Idee nicht aus dem Hut, er kramte sie tief unten aus einer Schreibtischschublade im Rathaus hervor.

Der Ruhrschnellweg zwischen Frohnhausen (li.) und Holsterhausen (re.) im Jahr 1963. Noch werden die städtebaulichen Folgen nicht als besonders störend empfunden, zumal die Verkehrsdichte sich noch im Rahmen hält. Auch die Straßenbahn verkehrt bereits zwischen den Fahrspuren, über eine heute nicht mehr existierende Rampe kehrt sie in das Straßennetz zurück.
Der Ruhrschnellweg zwischen Frohnhausen (li.) und Holsterhausen (re.) im Jahr 1963. Noch werden die städtebaulichen Folgen nicht als besonders störend empfunden, zumal die Verkehrsdichte sich noch im Rahmen hält. Auch die Straßenbahn verkehrt bereits zwischen den Fahrspuren, über eine heute nicht mehr existierende Rampe kehrt sie in das Straßennetz zurück. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Nein, neu war die Idee wahrlich nicht. Nach der feierlichen Eröffnung des Ruhrschnellwegtunnels zu Beginn der 1970er Jahre dauerte es nicht lange, bis offensichtlich wurde, was jeder hätte ahnen können: Eine Autobahn mitten durch eine Stadt zu bauen, bedeute mehr Verkehr, mehr Lärm und dicke Luft, worunter vor allem die Anwohner zu beiden Seiten der A 40 in Holsterhausen und Frohnhausen leiden.

Schon 1985 sagte NRW zu, das Land werde sich an einem A 40-Deckel beteiligen

Es war die SPD, die im Bundestagswahl 1980 erstmals öffentlich von einem Deckel auf der A 40 sprach und mit diesem Vorschlag um Stimmen warb, erinnert sich der ehemalige Essener Bundestagsabgeordnete Otto Reschke. Eine Grünanlage mit Tennisplätzen schwebte den Sozialdemokraten damals vor. Es war der erste Aufschlag für ein langes Match. 1985 spielte die von der SPD geführte Landesregierung den Ball zurück, als Verkehrsminister Christoph Zöpel zusagte, das Land werde sich am Bau eines Deckels finanziell beteiligen und zwei Drittel der Kosten übernehmen.

Eine Summe machte da bereits die Runde. 112 Millionen D-Mark sollte ein Deckel kosten. 1989 vergab die Stadt Essen einen Planungsauftrag an ein externes Ingenieurbüro, 1993 wurden dem Land Unterlagen für ein Planfeststellungsverfahren vorgelegt. Danach verliefen die Bemühungen jedoch im Sande, der Bau wurde nicht mehr weiterverfolgt.

Das Projekt eines A 40-Deckels zwischen Frohnhausen und Holsterhausen versandete

Warum nicht? Es fehlte offenbar der politische Wille. Grabenkämpfe innerhalb der Essener SPD sollen eine Rolle gespielt haben. Und auch finanzielle Gründe, denn Städtebauförderungsmittel des Landes für die Stadt Essen wären wohl auf Jahre ausgeschöpft gewesen. So flossen bereits zugewiesene Mittel laut Stadtverwaltung in die Verbesserung des Wohnumfeldes, unter anderem in die Umgestaltung des Frohnhauser Marktes.

Anfang der 2000er Jahre kam der Deckel noch einmal auf die Tagesordnung. Doch die Politik hatte es auch diesmal nicht eilig. Mit den Stimmen von CDU, FDP und Republikanern beschloss der Planungsausschuss, sich in fünf Jahren noch einmal damit zu befassen. Dabei blieb es.

So könnte der bebaute Deckel über der A 40 aussehen. Die Autobahn verliefe unterhalb des Parks und der Gebäude mit den begrünten Dächern in der Mitte des Bildes. Rechts im Bild verläuft die Münchener Straße, links die Holsterhauser Straße. Der Wohnturm links im Bild steht über dem Tunnelmund
So könnte der bebaute Deckel über der A 40 aussehen. Die Autobahn verliefe unterhalb des Parks und der Gebäude mit den begrünten Dächern in der Mitte des Bildes. Rechts im Bild verläuft die Münchener Straße, links die Holsterhauser Straße. Der Wohnturm links im Bild steht über dem Tunnelmund © Albert Speer + Partner

In Frohnhausen wie in Holsterhausen haben sie mit der tiefergelegten A 40 leben gelernt – leben lernen müssen. Nun ist der Deckel wieder aufgeploppt, so plötzlich wie Kai aus der Kiste. OB Thomas Kufen hat die Gunst der Stunde genutzt. Eine mögliche Bewerbung um die Olympischen Spiele bescherte auch dem Deckel mit einem Olympischen Dorf oben drauf breite öffentliche Aufmerksamkeit.

Die A 40 würde mitten in Essen auf einer Länge von 2,3 Kilometern überbaut

Im Auftrag der Stadt Essen hat das Frankfurter Architekturbüro in nur acht Wochen eine Machbarkeitsstudie für ein Olympisches Dorf über der A 40 erstellt. Die Autobahn würde für ein solches zwischen der Wickenburgstraße und dem A-40-Tunnel auf einer Länge von 2,3 Kilometern überbaut. So entstünde genügend Platz für vier- bis geschossige Gebäude mit einem Park im Zentrum und im Westen und Osten zwei Hochhäusern als Landmarken, 36 und 20 Stockwerke hoch.

230.000 Euro für weitere Untersuchungen

Die Stadt Essen hat bereits weitere Schritte für eine Überbauung der A 40 zwischen Frohnhausen und Holsterhausen unternommen. So soll ein Bebauungsplan für ein 42,5 Hektar großes Gebiet aufgestellt werden, das überplant werden soll. Zudem hat sich die Stadt per Satzungsbeschluss ein Vorkaufsrecht gesichert. Abstand genommen hat die Stadt von der Idee, die Trasse der U-Stadtbahnlinie auf den Deckel zu verlegen. Mit den nun anstehenden weiteren Untersuchungen will die Stadt ein externes Büro beauftragen. Vorgesehen sind dafür 230.000 Euro. Der Rat der Stadt soll darüber in seiner Sitzung am 30. März entscheiden.

Ob es eines Tages so kommt, bleibt abzuwarten. Die Frankfurter Stadtplaner dachten zunächst darüber nach, lediglich die Flächen links und rechts des Deckels zu bebauen und diesen frei zuhalten für eine Grünfläche. Doch es galt bis zu 16.000 Sportler im Olympischen Dorf unterzubringen. Der Platz zu beiden Seiten der Autobahn gab das nicht her. So stehen 60 Prozent der Bauten aus der Feder der Frankfurter Planer außerhalb des Deckels und 40 Prozent auf dem Deckel. Bis zu 3000 Wohnungen könnten entstehen. Die Konstruktion des Deckels sei aufgrund der erforderlichen Tragfähigkeit eine Herausforderung, sagt Friedbert Greif, Geschäftsführer von Albert Speer + Partner.

Inzwischen ist klar, dass das australische Brisbane die Olympischen Spiele 2032 ausrichten wird. Der Rat der Stadt hat jedoch bereits im Juni vergangenen Jahres erklärt, den Bau eines Deckels weiterzuverfolgen und zwar unabhängig von den Erfolgschancen einer Olympia-Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region.

Davon abhängig machen will sich die Stadt augenscheinlich nicht. Die Aussicht auf ein Mega-Ereignis garantiert zwar Aufmerksamkeit, doch die Öffentlichkeit sieht Olympische Spiele zunehmend kritisch. Dafür stellen Zeitgeist und Gesetzgebung höhere Ansprüche und Auflagen an den Schutz von Natur und Umwelt. Darin könnte die eigentliche Chance für einen Deckel auf der A40 bestehen.

Stadtplaner Friedbert Greif bezeichnet das Vorhaben nicht von Ungefähr als ein Modellprojekt für den modernen Städtebau. Wie geht eine Stadt, wie geht eine Region mit einer zentralen Verkehrsachse um? Wie nutzt sie Flächen, ohne die Bebauung an ihren Rändern immer weiter auszudehnen? Essen könnte darauf eine Antwort geben.

Es wäre eine Chance, eine Schneise mitten durch die Stadt zu schließen. Viele tausend Anwohner in Holsterhausen und Frohnhausen würden unmittelbar davon profitieren. Das Gesicht der Stadt Essen, es wäre an dieser Stelle ein anderes. Ein schöneres.