Die vergangenen acht Jahrzehnte der Fleischerei Colligs sind in erster Linie ein Stück Rüttenscheider Familiengeschichte. Sie nimmt ihren Anfang im März 1933, als das frisch vermählte Paar Hans und Irma Colligs den Laden am Dohmanns Kamp eröffnet. Ihre Väter hatten für das Haus zusammengeworfen: Johann Colligs, der eine Metzgerei in Kray betrieb, und Otto Velten, dessen Fleischerhandwerk bis heute in Steele weiter geführt wird.

Wiederaufbau dank Fett

Der Krieg ließ nicht lange auf sich warten, legte das gut angelaufene Geschäft immer wieder lahm. „Mein Vater wurde Soldat und kam, abgesehen von ein paar Heimataufenthalten, erst 1944 aus Russland wieder“, erinnert sich Jürgen Colligs, der den elterlichen Betrieb 1964 übernahm. Der heute 71-Jährige erinnert sich gut an seine Kindheit. An die Hausmädchen und Gesellen etwa, die mit der Familie unter einem Dach wohnten, wie es früher üblich war. Das Wohn- und Geschäftshaus war nach den Bombenangriffen wieder aufgebaut worden - mit den Erlösen aus dem Verkauf von Fett: „Das war damals in der Nachkriegszeit Gold wert. Ein Verwandter hatte eine Fettschmelze in Freisenbruch und gab uns ein Fass“, weiß Jürgen Colligs noch. Schon im Säuglingsalter hing er im Körbchen über der Fleischerei-Theke: „Meine Mutter musste ja verkaufen. Ich bin in der Fleischerei groß geworden“, sagt Colligs, der natürlich auch seine Ausbildung in dem Betrieb machte. Dann zog es ihn während seiner zwei Wanderjahre nach Hannover, Hamburg und in die Schweiz, ehe er die Nachfolge antrat.

Branche hat sich verändert

Damals boomte das Geschäft noch. Allein in Essen führte die Handelskammer in den Sechziger und Siebzigern rund 480 Fleischereibetriebe. Jürgen Colligs machte sich mit seinem Leberkäse einen Namen, den er als erster in Rohform zum Selberbacken verkaufte. „Wir hatten sogar Kunden aus München“, erinnert sich Colligs. Doch die Zeiten änderten sich, Colligs arbeitete immer härter - mit seiner Gesundheit zahlte er den Preis dafür. „In den Neunzigern musste ich mich zurückziehen. Glücklicherweise war die Nachfolge zu der Zeit schon in sehr guten Händen“, sagt Colligs. Sein Stiefsohn Mark Schoppe hatte bereits Anfang der Neunziger seine Lehre bei ihm absolviert. „Während meiner Zeit bei der Bundeswehr habe ich dann noch festgestellt, wie viel Spaß mir die Arbeit in der Küche macht“, sagt der heute 42-Jährige, der mit Ehefrau Ulrike folgerichtig den Partyservice der Fleischerei aufbaute - in einer Zeit, als Catering noch ein Fremdwort war. „Das fing alles mit drei Kilo Speck-Kartoffelsalat und Leberkäse an, die ich für eine Privatfeier ausgeliefert habe“, erzählt Schoppe und ergänzt mit einem Schmunzeln: „Jürgen hat mich damals für verrückt erklärt.“ Heute ist der Lieferservice ein wichtiges, wirtschaftliches Standbein in einer Zeit, in der längst Supermärkte den größten Teil des Fleisch-Bedarfs decken. „Das Geschäft ist härter geworden. Von den jüngsten Lebensmittelskandalen aber profitieren wir. Das ist immer so“, sagt Schoppe. „Die Menschen geben für alles Mögliche viel Geld aus. Warum viele bei Lebensmitteln auch am letzten Cent sparen wollen, bleibt ein Rätsel“, sagt auch Jürgen Colligs. Die Branche jedenfalls hat es verändert: Mittlerweile wurden die Betriebe in Mülheim, Oberhausen und Essen zu einer Innung zusammengefasst - 48 Metzgereien sind dort noch verzeichnet.

Jürgen Colligs hofft dennoch, dass sein Handwerk nicht ausstirbt. Neben seinem Stiefsohn arbeitet mittlerweile auch die 22-jährige Enkelin Stefanie im Laden mit. Dann stehen mitunter drei Generationen in der Wurstküche, wenn es Jürgen Colligs doch mal wieder in den Fingern kribbelt. Schließlich ist der Betrieb seine Familie.