Rüttenscheid. . Viele Bürger diskutieren über die Zukunft der Gemarkenstraße. Während einige in dem Konzept eine Chance sehen, fürchten manche Händler um Kunden.
Die Gemarkenstraße könnte Fahrradstraße werden – diese Meldung elektrisiert seit Wochen die Holsterhauser Bürger. Viele von ihnen folgten deswegen der Einladung des CDU-Ortsverbands, der einen Diskussionsabend zum strittigen Thema im Eiscafé Tosca organisiert hatte.
„Wir wollen respektvoll die Argumente austauschen und alle ausreden lassen“, formuliert Andreas Kalipke, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes, seinen Wunsch für die Debatte. Und beschreibt vorab, was sich tatsächlich ändern würde: Demnach herrscht auf einer Fahrradstraße grundsätzlich Tempo 30, dürfen Radfahrer nebeneinander fahren, gilt aber weiterhin das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Entgegen mancher Falschinformation, die bereits im aus allen Nähten platzenden Eiscafé kursierte, bleibt die Gemarkenstraße für den Autoverkehr weiterhin frei, fallen, wenn überhaupt, nur wenige Parkplätze weg.
„Die Gemarkenstraße ist dann Teil einer Radachse, die durch die ganzen innenstadtnahen Viertel führen wird“, erläutert Ulrich Beul, der bei der Essener CDU für das Thema Mobilität zuständig ist, das innovative Verkehrsprojekt, das zur Luftreinhaltung beitragen soll.
Neubau der Cranachhöfe als Umbruch für den Stadtteil
Als entschiedene Gegnerin der Fahrradstraße kommt Hauseigentümerin Michaela Kampmann zunächst zu Wort: Die Holsterhausenerin präsentierte die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Umfrage. Dafür hatte sie einen eigens erstellten Fragebogen bei den Einzelhändlern der Gemarkenstraße verteilt. „Von 447 Kunden, die mitgemacht haben, sind 361 gegen eine Fahrradstraße“, nennt sie das Ergebnis. Doch auf Nachfrage stellt sich schnell heraus, dass manche Formulierungen auf dem Fragebogen tendenziös und teilweise sogar falsch waren. „Die Autos müssen weg“ stand zum Beispiel als angebliche Konsequenz auf den Bögen. „Trotzdem bleibe ich dabei: Eine Radstraße macht den Einzelhandel auf der Gemarkenstraße kaputt“, sagt Michaela Kampmann.
Diese Befürchtung teilen viele Bürger. „Alles soll bitte so bleiben, wie es ist. Veränderungen können wir derzeit nicht gebrauchen“, heißt es immer wieder. Angesichts des Umbruches durch den Neubau der Cranachhöfe und den Wegzug von Edeka und dm, müsse der Einzelhandel sowieso noch mehr um sein Überleben kämpfen.
Idee: Gemarkenstraße zur Flaniermeile ausbauen
Andere Stimmen, darunter viele jüngere, sehen dagegen die Errichtung einer Fahrradstraße als Chance, sich von anderen Einkaufsstraßen der Stadt positiv abzuheben. „Das wäre doch ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem wir werben könnten“, sagt Björn Ahaus, der mit Mitstreitern das Fachgeschäft für Stadtwandel in Holsterhausen ins Leben gerufen hat. „Wir könnten zudem die Lebensqualität im Stadtteil verbessern und die Gemarkenstraße zur Flaniermeile für Fußgänger ausbauen“, ist er überzeugt.
Zudem sei ja ein Teil der Gemarkenstraße bereits eine Radstraße: „Auf dem Teil, der Einbahnstraße ist, muss man als Radler sowieso mittig fahren, um den nötigen Abstand zu den parkenden Autos zu halten. Deswegen wird sich eigentlich gar nicht viel ändern“, argumentiert Ahaus.
„Warum muss den unbedingt eine Geschäftsstraße zur Fahrradstraße werden? Man könnte ja auch über die Nebenstraße fahren“, wirft ein Hausbesitzer ein. Auch er befürchtet ein „Absterben“ der Gemarkenstraße, solle das Konzept tatsächlich umgesetzt werden.
CDU will Einzelhandel stärken
Nach der knapp zweistündigen Diskussion ist Andreas Kalipke positiv überrascht: „Das war ein guter Austausch. Obwohl das ein emotionales Thema ist, das die Menschen aufwühlt, haben sich die Bürger den jeweils anderen Standpunkt tatsächlich ruhig angehört“, lautet seine Quintessenz. Auch der CDU-Ratsherr hat gut zugehört, sich größtenteils zurückgehalten und will die Pro- und Contra-Argumente mitnehmen in die nächste Sitzung des Ortsverbandes.
Eine feste Meinung habe er sich noch nicht gebildet. Nur eines steht für ihn fest: Der Einzelhandel dürfe unter einer Fahrradstraße auf keinen Fall leiden. „Aber genau dort sehe ich bei der Kommunikation die Problematik“, sagt er, „ich befürchte, dass bei vielen Bürgern aus anderen Stadtteilen der Begriff Fahrradstraße den falschen Schluss auslöst, dass dort Autos nicht mehr erlaubt sind. Und das wäre fatal für den Handel.“