Essen-Rüttenscheid. . Ihre Eltern wohnen im Norden Berlins und dem Süden Kasachstans – viel zu weit weg. Nun suchen die Lowickis für Söhnchen Michael eine Oma.
Zu ihrem Geburtstag hat Xeniya Lowicki einen Herzenswunsch: „Ich wünsche mir eine liebe Oma für unseren kleinen Sohn“, sagt die junge Mutter, die am Donnerstag 35 Jahre alt geworden ist.
Im Nachbarschafts-Netzwerk „Nebenan.de“ startete sie kürzlich den ungewöhnlichen Aufruf: „Wir suchen jemanden, der uns das Großfamilie-Feeling erleben lässt“, heißt es darin unter anderem. Einige Bewerbungen gab es bereits, in der kommenden Woche lernt die Familie eine erste potenzielle Leih-Großmutter kennen.
Der kleine Michael, den die gebürtige Kasachin liebevoll Mischa ruft, ist 15 Monate alt. Wie viele Kinder in seinem Alter brabbelt der Kleine gerade seine ersten Worte. Weil er zweisprachig russisch und deutsch aufwächst, gehören Begriffe wie „njet“ und „Mami“ schon länger zu seinem Repertoire. Oma und Opa hingegen sind ihm fremd. Während ihre Schwiegereltern gut 70 Kilometer nördlich Berlins leben, wohnt die Mutter von Xeniya Lowicki im Süden Kasachstans: Viel zu weit weg von ihrer Wohnung in der Schönleinstraße in Essen-Rüttenscheid.
Umgang mit älteren als Bereicherung
„Es ist bei den Entfernungen einfach unmöglich, dass Mischa regelmäßig Kontakt zu seinen Großeltern hat“, bedauert auch Vater Florian Lowicki (40). 2005 zog der Wirtschaftsgeologe nach Essen, weil er hier bei der DMT-Gruppe seinen Traumjob gefunden hatte. Wenig später fand er mit Xeniya Lowicki auch seine Traumfrau.
„Wir sind glücklich hier. Was uns aber fehlt, sind weitere familiäre Strukturen“, sagt Florian Lowicki. Damit, glaub er, seien sie nicht allein: „Das Ruhrgebiet ist ja noch immer eine Zuwanderer-Region, das sehe ich ja schon bei mir auf der Arbeit. Viele Kollegen kommen aus alle möglichen Teilen Deutschlands oder dem Ausland.“
Dabei geht es dem Paar weniger um einen Babysitter als vielmehr dem Austausch mit der älteren Generation. „Ich bin selbst zu einem großen Teil bei meiner Großmutter aufgewachsen, weil meine Mutter in Vollzeit arbeiten war. Dieses Geborgenheitsgefühl prägt mich bis heute. Das wünsche ich mir auch für unserem Sohn“, sagt Xeniya Lowicki. Sie glaubt, dass der frühe Umgang mit älteren Erwachsenen schon kleinen Kindern hilft: „Großeltern sind oft unaufgeregter und haben eine erfahrene Sicht auf manche Dinge. Davon profitieren wir ja am Ende alle, nicht nur Mischa“, hofft die Gesundheitsmanagerin, die vor 15 Jahren zum Studieren nach Deutschland zog.
Wichtigste Qualifikation: ein großes Herz
Im März steigt sie wieder in ihren Job ein, vorerst in Teilzeit. „Mischa ist schon seit einigen Monaten bei einer Tagesmutter in Holsterhausen, mein Mann kann auch flexibel von Zuhause aus arbeiten. Dadurch ist die Betreuung geregelt“, macht Xeniya Lowicki deutlich, dass sie keine „Dienstleisterin“, sondern tatsächlich eine Oma suche. Geschichten vorlesen, Ausflüge auf den Spielplatz, kuscheln und ein bisschen verwöhnen: So beschreiben die beiden das Aufgabenspektrum potenzieller Großmütter, die natürlich gern auch einen Großvater im Schlepptau haben dürfen. Als Qualifikation muss die Leih-Oma nur zwei Dinge mitbringen: „Sie sollte mobil sein und ein großes Herz haben.“
Und Michael selbst? „Der Kleine ist ein eher ruhiger Vertreter. Er schaut gerne Bilderbücher an, liebt Autos und Fahrzeuge und ist sehr offen zu anderen Menschen.“
Wer die Familie Lowicki kennenlernen möchte und Lust hat, „Leih-Oma“ zu werden, kann sich per E-Mail melden.
>>> EHRENAMTAGENTUR BIETET HILFE
Auch die Ehrenamt-Agentur verzeichnet immer mehr Anfragen von Familien und besonders Alleinerziehenden, die Hilfe und Austausch im Alltag mit dem Kind suchen. Zwar gibt es dort keine gezielte Plattform für Leihomas und -opas. „Natürlich melden sich bei uns aber auch viele ältere Menschen, die sich gern engagieren möchten“, sagt Friederike Compernaß von der Ehrenamt-Agentur.
Ende vergangenen Jahres hat der Verein mit „Familienfreunde“ ein neues Projekt ins Leben gerufen, das vor allem Alleinerziehende in den Blick nimmt. Das Projekt ist Teil des Programms „Menschen stärken Menschen“ des Bundesfamilienministeriums. Mitmachen können alle, die alleinerziehende Mütter und Väter unterstützen möchten. „Sie übernehmen dabei die Funktion einer weiteren Vertrauens- und Bezugsperson und erweitern damit das familiäre Netz“, heißt es in der Beschreibung der Ehrenamt-Agentur. Hausaufgabenhilfe und Spielenachmittage könnten Aktivitäten sein, die die „Familienfreunde“ übernehmen.
Weitere Informationen zu den „Familienfreunden“ gibt Friederike Compernaß unter Tel.: 0201 839 1490 oder per E-Mail.